Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Vom guten Essen

ape. Über eines der wichtigsten Dinge des Lebens haben wir hier noch nie ausführlich gesprochen: das Essen. Die Post-Ferien-Tage scheinen passend, einmal dieser Kulturtechnik näher zu treten. Denn im von alltäglicher Hetz‘ befreiten Urlaub hat mancher Zeitgenosse hoffentlich bemerkt, dass Essen mehr sein kann als Magenfüllerei. Keine Bange, es liegt mir fern, nun auch noch das modische Loblied zu singen auf Slow-Food, auf Erleuchtung durch eigene Kochfreuden, Beglückung durch besternte Spitzenkulinarik oder Zufriedenheit dank Rückgriff auf Omas Küche.

Zwar esse ich gern gut und davon bisweilen viel, aber die meisten der unzähligen Trends auf dem aktuellen Markt der Essgenüsse sind mir suspekt. Nehmen wir Omas Küche, die mit nostalgischem Schwärmen als neue Alternative zum Gourmetgekoche ins Feld geführt wird. Was meine Großmutter dazumal auf den Tisch brachte, war mastig, fettig, langweilig gewürzt und stets so weich gekocht, als säße am Tisch eine Sippe Zahnloser beisammen. Nur wenige ihrer Speisen schmeckten, und nur die sind mir als heute leider fast ausgestorbene Lieblinge geblieben: Dampfnudel, Stupfnudel, Saure Nieren mit Spätzle, Brennsuppe aus Grünkerngries.

Da mögen Sie nun die Nase rümpfen – so wie ich es nachher tat bei vielen Einladungen, Empfängen, Pressereisen, die den Journalisten an die Tafeln höherer Anspruchsgastromonie führten. Dort wurde teils sehr gut gekocht, teils aber auch bloß Koch- und Ess-Theater gespielt. In jener Zeit habe ich aus kulinarischen Frust- und Lusterlebnissen meinen eigenen Geschmack entwickelt: die Vorliebe für das Raffinement des Einfachen in ordentlicher Qualität, ganz egal aus welchem Kulturkreis es stammt. Es gilt die Einlassung von Kabarettist Jochen Malmsheimer, wonach die Hinzufügung von Mayonnaise zum Wurstbrot ein Verbrechen an selbigem und der Menschheit ist.

Um nicht missverstanden zu werden: Meine Art Einfachheit schließt grundsätzlich Lieblosigkeiten aus, wie sie in der „gut-bürgerlichen” Küche leider weit verbreitet sind, ebenso chemisch aufgemotzten Fabrik-Fraß auf Basis von Tierquälerei und industrieller Ackerverunstaltung. Es schmeckt mir einfach nicht, wenn ich weiß, dass solche Scheiße auf dem Teller liegt. Nix gegen ein paniertes Schnitzel, wenn die dazugehörige Sau vorher eine gute Zeit hatte, Koch/Köchin selbst eine gute Pannade machen und das darin gewälzte Fleisch in der Pfanne braten – statt ein am Fließband vorfabriziertes 0-8-15-Fertigteil in der Fritteuse zu ersäufen.

Gar nix auch gegen daheim mal schnell zubereitete Speisen. Pfannkuchen etwa. Ich bin ein Meister im Pfannkuchenbacken: Ein paar Eier mit ein, zwei Schüttungen Mehl, einer Portion Milch sowie etwas Salz und Zucker verrührt, dann schön in Olivenöl ausgebacken. Dazu ein simples Pilzragout oder ein paar gedünstete Tomaten oder nur Marmelade. Ist in 20 Minuten fertig, schmeckt prima. „Was soll denn das für ein Rezept sein”, motzt Freund Walter und fordert genaue Angaben über die Zahl der Eier, über Mehltype und Milchart sowie deren Mengen in Gramm und ccm, über die Backtemperatur in Grad Celsius, die Backzeit je Fladen in Sekunden…. Ach du lieber Gott, meine Küche ist doch kein Präzisionslabor. Dort geben Fantasie und Gefühl, Finger, Augen, Nase, Zunge und Gaumen den Ton an. Das klappt immer – und wenn doch nicht, muss halt Malmsheimer ran.

(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website 35. Woche im August 2014)

 

Andreas Pecht

Kulturjournalist i.R.

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