Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Hetero, homo, bi: total normal eben

ape. Kennen Sie das auch? Plötzlich flutet eine mordsmäßige Aufregung durch die öffentlichen Kanäle, du aber kannst partout nicht begreifen, was die Leute derart in Rage versetzt. So jetzt wieder erlebt beim Outing von Thomas Hitzlsperger. Mehr noch beim Vorstoß der Landesregierung von Baden-Württemberg, die „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ als schulisches Bildungsziel festzuschreiben. Das Bekenntnis eines Ex-Nationalfußballers zu seiner Homosexualität wird bestaunt und gefeiert, als sei’s das siebte Weltwunder. Zugleich löst die Stuttgarter Schulinitiative eine Kontroverse aus, die ich schon vor 20 Jahren abgeschlossen glaubte.

Geht’s noch?! Wie weltfremd muss man heute sein, um schwule Kicker für etwas Sonderbares zu halten? Oder schwule Leichtathleten, Ruderer, ja auch Gewichtheber und Boxer. Oder schwule Polizisten und Soldaten, Baggerfahrer und Müllwerker, Bäcker und Dachdecker, Lehrer, Ärzte und Journalisten… Das gilt ebenso für die Frauen in jedweder Berufs-, Sport, Gesellschaftsgruppe: einen Anteil von Lesben gibt es überall. Und siehe: Homosexuelle können in ihren Berufen und Hobbys genauso gut oder schlecht sein wie Heteros. Auch schwule Börsenzocker können uns an die Wand fahren und lesbische Chefinnen uns drangsalieren. Ein Außenminister ist ein Außenminister, ein Bürgermeister ein Bürgermeister, eine Kanzlerin eine Kanzlerin: Mit wem die wie privat einvernehmlich Sex haben und/oder zusammenleben ist mir völlig wurscht.

Zugegeben: Auch ich habe in jungen Jahren eine Weile gebraucht, um zu verstehen, dass die Natur bei der Zuteilung sexueller Orientierung ganz anders tickt, als kirchliche und (spieß)bürgerliche Familiendogmatiker mir einreden wollten. Heute weiß ich: Die Natur sieht seit jeher in jeder Population für beide Geschlechter einen Anteil Homosexueller vor. Der dürfte irgendwo zwischen 3 und 10 plus X Prozent liegen. Genaue Zahlen sind schwer zu erheben, denn je feindseliger eine Gesellschaft ihre Schwulen und Lesben behandelt, umso geringer deren statistischer Anteil. Nicht weil es weniger von ihnen gäbe, sondern weil weniger ihre Homosexualität zugeben – oft nicht mal sich selbst gegenüber.

Aber eigentlich nervt es, all diese ollen Argumente 2014 wieder aus der Schublade holen zu müssen. Bis zum aktuellen Streit um den baden-württembergischen Bildungsplan ging ich davon aus, dass spätestens seit den 1990ern allüberall die Lehrer im Sexualkundeunterricht auch über Homosexualität als eine natürliche und normale Orientierung unter anderen natürlichen und normalen Orientierungen aufklären. Was in drei Gottes Namen gibt es denn darüber zu streiten?! Ehrlich: Mich interessiert nicht die Bohne, wer in meinem Freundes- und Bekanntenkreis oder sonstwo hetero, homo oder bi ist. Nein, nein, mit Toleranz-Ethos oder Gutmenschentum hat das nix zu tun – bloß mit Anerkennung von Selbstverständlichkeiten.

Walter bringt einen klitzekleinen Einwand vor: „Blöd finde ich allerdings, wenn eine prachtvolle Frau mich stundenlang hoffnungsvoll Süßholz raspeln lässt, um mir am Ende des Abends zu offenbaren, dass in sexueller Hinsicht alle Mühen vergebens waren, weil daheim ihre Lebensgefährtin warte.“ Tja Freund, so ist das eben mit dem Liebesspiel unter erwachsenen Menschen, egal ob hetero oder homo: Überraschungen und ein bisschen Risiko gehören dazu, sonst wär’s kein so schönes Spiel.

 

(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website 4./5. Woche im Januar 2014)

Andreas Pecht

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