ape. Da siehst du dich mit diesem „Stadtbild“-Pallaver konfrontiert und erlebst sofort Déjà-vus im Dutzend. Och nö, nicht schon wieder die gleichen Reflexe, gleichen Reden, gleichen (Vor)Urteile, gleichen Forderungen wie schon in den 50ern, den 60ern, den 70ern, auch noch den 80ern und 90ern. Du hörst Merz, Spahn, Dobrinth – doch aus ihren Mündern sprechen Adenauer, Erhard, Kiesinger, Kohl über Ruhe, Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit. Du hörst deine Großmutter selig wieder wie sie 1969 schimpfte: „Man kann nicht mal mehr unbesorgt über den Marktplatz gehen, weil dort ständig diese gefährlichen Langhaarigen rumgammeln.“ Du hörst den Großvater grummeln über „Bettler und Lumpenpack“, das sich in den Straßen tummelt. Du hörst wieder die längst gestorben geglaubten Stimmen vom Professorenstammtisch mit der empörten Klage über „kriminelle Proteststudenten“.
Du hörst das Damenkränzchen 1972 händeringend eine „saubere und anständige“ Stadt zurückwünschen – die es nie gegeben hat, denn schon im antiken Athen und Rom mied man des nachts die eine oder andere Ecke, wie du selbst schon in den 1980ern das Frankfurter Bahnhofsviertel und in der Dunkelheit die Grünanlagen beim Schauspielhaus gemieden hast. Du hörst 1975 wie die Mutter deine 17-jährige Schwester ermahnt, ja nicht durch diese Straße zu gehen, weil da immer die italienischen Männer rauchend zusammenstünden. Man sagte dir, du sollst jene Kneipe meiden, in der nur Griechen verkehren und griechischen Wein trinken.
Du sahest dich an den Bahnhöfen schon von trunkenen Bundeswehrsoldaten auf Heimfahrt oder Fußballfans auf dem Weg vom/zum Spiel belästigt. Du gingst schon vor 50 Jahren ungern zu später Stunde allein in die schlecht beleuchtete, stille Tiefgarage, und mulmig war dir damals nachts stets auf dem kurzen Stück am Neckar entlang beim Gang nach Hause. … Das alles und noch viel mehr sattsam Bekanntes von ehedem geht dir erinnernd durch den Kopf beim jetzigen „Stadtbild“-Pallaver. Und du denkst erschöpft: Wieder das Gleiche und wieder und wieder und immer, immer wieder. Alles vermengt, alles verwischt, alles durcheinander geschmissen auf der Suche nach DEM Schuldigen, DER schuldigen Gruppe, die es als Solofaktor gar nicht gibt, nie gab. Andreas Pecht
