Nach längerer Zeit hatte ich am Wochenende mal wieder einen Kritikereinsatz in Sachen Schauspielkunst. Es galt zu berichten und zu werten über die erste Premiere der neuen Spielzeit 2025/26 am Theater Koblenz. Diese fand nicht im Stammhaus statt, denn dort sind noch etliche Monate die Bauarbeiter am Werk. Das Ensemble um Regisseurin Caro Thum mochte für seine sehr spezielle Umsetzung von Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“ auch die Interimsspielstätte im Theaterzelt auf dem Ehrenbreitsteiner Festungsplateau nicht nutzen, sondern zog damit einige Kilometer vor die Tore von Koblenz in die Stadthalle Vallendar.
Dort spielt das Stück nicht auf einer ausgeleuchteten Bühne vor Zuschauern im Dunkeln. Stattdessen agieren die Spielleute im hellen Saal zwischen dem an langen Tischreihen platzierten Publikum, als seien sie Teil desselben – als seien zugleich die Vallendarer Theaterbesucher die Bewohner von Dürrenmatts Handlungsort Güllen. Und die erleben nun auf eine für sehr viele Theaterfreunde ungewohnte Weise hautnah und quasi als Beteiligte mit, wie ein in Jubelmanier beginnender Gemeindeabend während zweieinhalb Stunden Echtzeit sich in eine Katastrophe menschlich-moralischer Abgründe verwandelt. Das funktioniert, ist schlüssig und erzeugt spürbaren Betroffenheits-Sog. Ein vom Original abweichender Schluss gibt, wie der gesamte Abend, allerhand Gesprächs- und Denkstoff mit auf den Weg. Theater also, das mitzuerleben sich lohnt. > Meine Premierenbesprechung in der Rhein-Zeitung (kostenpflichtiger RZ-Text, 4800 Anschläge).