Monatskolumne Nr. 244, 30.Oktober 2025
 „Hey, alter Mann, wie is et?“ Derart begrüßt mich Freund Walter bisweilen, und das seit vielen Jahren. Vor ein paar Tagen schob er grinsend nach: „Jetzt bist du endlich so alt, wie du seit langem aussiehst. Glückwunsch.“ Na danke für solch einen Gruß zum 70. Geburtstag. Aber um ehrlich zu sein: Die liebevolle Frotzelei ist mir angenehmer als all die abgeschmackten Sprüche von wegen „70 ist doch kein Alter“ oder „70 ist das neue 50“ oder „Man ist so jung, wie man sich fühlt“ und andere Klugscheißereien, die einem fortgeschrittenes Alter zur zweiten Jugend schönfärben wollen.
 „Hey, alter Mann, wie is et?“ Derart begrüßt mich Freund Walter bisweilen, und das seit vielen Jahren. Vor ein paar Tagen schob er grinsend nach: „Jetzt bist du endlich so alt, wie du seit langem aussiehst. Glückwunsch.“ Na danke für solch einen Gruß zum 70. Geburtstag. Aber um ehrlich zu sein: Die liebevolle Frotzelei ist mir angenehmer als all die abgeschmackten Sprüche von wegen „70 ist doch kein Alter“ oder „70 ist das neue 50“ oder „Man ist so jung, wie man sich fühlt“ und andere Klugscheißereien, die einem fortgeschrittenes Alter zur zweiten Jugend schönfärben wollen.
Gewiss, die letzte Lebensphase hat auch eine Menge gute Seiten. Der von US-Schauspielerin Mae West geprägte und hierzulande durch Joachim Fuchsberger bekannt gewordene Slogan „Altwerden ist nichts für Feiglinge“ hat deshalb für viele Senioren, trotz mancher Altersmalaise, einen gar zu düsteren Beiklang. Dennoch möchte ich jedesmal aus der Bux springen, wenn irgendwelche Jugendfetischisten nassforsch posaunen, jede/r könne im Jungbrunnen baden, könne sich Gesundheit, Vitalität, gar Aussehen verflossener Jahre wieder antrainieren, herbeifuttern oder mit Elixieren, Spritzen, Tabletten, Salben, Cremes zurückgewinnen. Ja, ja, zweifelsfrei tun Sport und gesunde Ernährung gut, aber sie lassen die Lebensuhr eben doch nicht rückwärts laufen. Es gibt Leute, denen vor lauter Bemühen ums Jungaussehen und Gesundleben das Leben abhanden kommt. Der Mensch altert, das ist seine Natur. Und das bedeutet: Manches sieht nicht mehr aus, wie es mal aussah; manches geht nicht mehr so, wie es mal ging. Da könnt ihr euch auf den grauen Kopf stellen und noch so sehr mit klapprigen Knochen, verschrumpelten Pobacken und durchhängenden Brüsten wedeln.
Nutzlos, weil peinlich, sind auch Versuche, fortgeschrittenes Alter kaschieren zu wollen mittels jugendmodischem Putz und nachäffen jugendlicher Sprache und Verhaltensweisen. Nicht lustig, nicht mal mehr peinlich, sondern gemeingefährlich sind 70- oder 80-Jährige, die mit strotzendem Selbstbewusstsein verlautbaren, sie seien im Auto noch immer so fix und fit unterwegs wie mit 40. Sorry, aber das ist in jedem Fall Selbstbetrug. Der zur Folge hat: Bedenkenlos flottes Fahren trotz altersbedingt naturgemäß verlangsamter Reaktionsgeschwindigkeit und reduzierter Erfassung ständig komplexer werdender Verkehrssituationen. „Erfahrung aus 50 und mehr Jahren Fahrpraxis gleicht das aus,“ meinen betagte Gaspedalritter dann oft. Tut die Erfahrung allerdings nur zum kleineren Teil, und auch das nur, wenn man Hirn und Körper genügend Zeit lässt zu agieren.
Mach langsam!, heißt deshalb die realistische Altersdevise, zu der auch ich mich peu à peu durchkämpfe. Nicht nur im Straßenverkehr, ebenso beim Treppengehen, bei der Haus- und Gartenarbeit, ja selbst beim Nachdenken und in der Liebe. „Numme net hudle“ lautete die entsprechende Maxime meiner odenwälder Großmutter selig, die damit fast 90 wurde. Hadere nicht mit dem, was du nicht mehr kannst, sondern sieh’, was du (noch) kannst, mach was draus und lebe es intensiv. Nein, das ist nicht immer einfach, erste recht nicht wenn Einschränkungen, Zipperlein, Krankheiten unerwartet oder in Schüben kommen. Schlimmer noch wird es, wenn man, statt zu seinem Alter zu stehen, dem vergeblichen Wunsch hinterherhechelt: Ich will mein Leben von vor 30 Jahren zurück.
Yep, 70 also. Schaun mer mal, was da noch zu reißen ist und wie lange.
