ape. „us“ ist tot. Das im Kollegenkreis der Rhein-Zeitung auch respektvoll als Rufname benutzte Autorinnenkürzel steht für Ursula Samary. Die in der RZ-Leserschaft und darüber hinaus seit Jahrzehnten bekannte und überwiegend hoch angesehene Politkredateurin und landespolitische Korrespondentin Rheinland-Pfalz des Blattes ist jetzt nach kurzer schwerer Krankheit 72-jährig gestorben.
Viele Jahre haben wir in der Zentralredaktrion quasi Tür an Tür nebeneinander gearbeitet. Weniger miteinander, denn unsere Themenfelder berührten sich nur selten. Gleichwohl plauderten wir oft; meist nur kurz, denn „us“ war fast immer auf dem Sprung, stets energiegeladen, auch etwas nervös und wibbelig in irgendeiner Recherche steckend. Samary war die landespolitische Spürnase der Rhein-Zeitung, tausendfach vernetzt mit allen denkbaren und undenkbaren Leuten, die von der ersten bis zur zehnten Reihe irgendwas mit dem Geschehen in Rheinland-Pfalz zu tun hatten. Sie wusste wer, was, wann, wo, wozu zu sagen hatte, sagen könnte, sagen müsste. Und wenn eine/r nichts sagen wollte oder nur Nichtssagendes von sich geben, befragte sie – mit zwei Handys und ihrem Tischfelefon jonglierend – ein Dutzend andere. Bis sie auf Umwegen doch sämtliche Fakten für eine gute, fundierte, Durchblick und Einordnung verschaffende Zeitungsstory beisammen hatte.
„us“ war eine Vollblut-Journalistin alter Schule, schreierische Sensationsmache nicht ihr Ding, obwohl sie mit ihrem feinen Gespür manche Unstimmigkeit und nicht selten Skandalöses in der Landespolitik vorausahnte, ergründete, enthüllte. Fakten, Fakten, Fakten, dann schauen, wie es die handelnden und/oder verantwortlichen Personen mit den Fakten halten. Bisweilen endeten aber auch Recherchen, auf die irgendeiner der vielen Chefredakteure, die sie erlebte und überlebte, sie aufgeregt angesetzt hatte in der Ansicht „da ist Musik drinne“, nach ein paar Stunden telefonierens mit der bedauernden, aber selbstbewussten Feststellung: „Das ist gar nichts drinne, nur heiße Luft und Larifari; ich mach‘ euch eine kleine Meldung draus.“ Dann musste die Chefetage die vorschnell georderte Extraseite wieder abbestellen. Dünnes groß aufblasen bloß um irgendeiner Schlagzeile willen: Nicht mit uns „us“.
Frau Samary und ich blieben – trotz fast täglich kollegialer, meist interessierter und freundlicher, auch mal herzlicher Begegnungen über viele Jahre – bis zum Schluss beim wechselseitig respektvollen „Sie“. Warum? Es hat sich so ergeben und passte einfach. „Was halten sie denn von dieser Sache?“ fragten wir immer wieder einander kurz auf dem Flur. Oder: „Können sie mir das schnell erklären, ich kapier’s nicht“. So etwa sie zu mir bei der unseligen RLP-Orchesterstrukturrefom Anfang der 2000er oder ich zu ihr mehrfach im Zuge des Nürburgring-Skandals. Auch als Rentnerin mochte oder konnte sie vom Journalismus nicht lassen, war zwar in erheblich reduziertem Maße, doch noch immer regelmäßig in der Rhein-Zeitung mit eigenen interessanten Artikeln vertreten. Das wird nun fehlen – und sie wird mir fehlen: die Frau Kollegin Ursula Samary.
Andreas Pecht