Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Trübwettergedanken: Das Rechtschreib-Hirn hat sich verlaufen

ape. Herrjeh, wie peinlich. Da steht in deinem Text plötzlich ein ganz banales, alltägliches Wort, das du über die Jahrzehnte wohl schon tausendemal richtig geschrieben hast, falsch drin. Mit etwas Pech kommt es in dieser Form einer Menge Leute im Netz oder in irgendeinem Printmedium so vor die Augen. Das passiert mir, dem Vielschreiber und Sprachliebhaber zwar selten, aber es passiert immer mal wieder. Was jedesmal die Frage zur Folge hat: Wie nur kann dir sowas passieren? In diesem Fall war es das Wort „Malerin“, das mir als „Mahlerin“ aus der Tastatur geflossen war.

Nun bin ich gewiss kein Großmeister in Sachen Rechtschreibung. Doch dürften gut und gerne 98% meines (nicht ganz kleinen) Schriftwortschatzes sehr sicher als korrekte Form im Schriftgedächtnis abgelegt sein. Und zwar so sicher, dass ihre rechtschriftlich richtige Benutzung automatisch, ohne weiteres Nachdenken erfolgt. Anders wäre flüssige Vielschreiberei auch kaum möglich. Über die Unterscheidung beispielsweise von „seid vs. seit“ oder von „das vs. dass (alt: daß)“ muss ich nicht grübeln; das Gehirn checkt automatisch den Sinnzusammenhang und schickt die richtige Schreibweise in die Finger.

Wie also kann es zur unsinnigen Schreibung „Mahlerin“ kommen? Wahrscheinlich ist es so: Malen, Malerei etc. gehört zu jenen zwei, drei Dutzend Wörtern, deren Schreibung mir in der Schulkindheit und/oder Jugend (aus oft unergründlicher Ursache) zeitweise Probleme gemacht haben. Davon ist wohl im Unterbewusstsein eine Restunsicherheit geblieben, die den rechtschriftlichen Hirnautomatismus bisweilen dann unterläuft, wenn man sich im gleichen Moment auf ein anderes Rechtschreib- oder Inhaltsproblem konzentriert. Im vorliegenden Ma(h)lerin-Fall war das die Schreibweise des Vornamens von Frida Kahlo. Ich musste mich vergewissern, ob Frieda (wie im Deutschen üblich) oder eben Frida.

„Rhythmus“ war bei mir lange ebenso ein Unsicherheitskandidat, trotz Musikstudiums. Das Gehirn mochte sich mit der Kombination aus zwei h und y einfach nicht abfinden. Folge: Beim Schreiben ging immer mal wieder eines der beiden h’s verloren. Erst in späten Jahren verschwand die Restunsicherheit – um dann in umgekehrter Form beim „Algorithmus“ wieder aufzutauchen, der bei mir wiederholt als „Algorhythmus“ oder „Algorhithmus“ erschien.

Völlig verrückt kann es werden, wenn das Hirn einfach Aussetzer hat oder den Weg des geringsten Widerstandes geht. Es ist viele Jahre her, da stand plötzlich und laut lachend der Oberkorrektor an meinem damaligen Schreibtisch im Kulturressort der Rhein-Zeitung: „Ich wollte nur mal sehen, ob sie noch ihren Kopf auf den Schultern haben“, so spöttelte er gutmütig und zeigte auf eine Stelle in meinem Artikel. Da stand doch tatsächlich „Ludwig van Beethofen“. Ich wollte im Boden versinken vor Scham. Doch der pensionierte Studienrat hatte eine Erklärung für die Beethofen-Peinlichkeit: In meinem Artikel ging es hauptsächlich um das Verhältnis Beethovens zum herrschaftlichen Hof erst in Bonn, dann in Wien. „So viel bei Hof hat wohl auf den Namen unseres Ludwig abgefärbt“, meinte der kluge Senior.

Ja, ja, das Hirn ist gelegentlich schon ein seltsames Instrument. Und sage keine/r, es sei ihr/ihm noch nie so oder ähnlich ergangen.

Andreas Pecht

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