Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

„Kaputtgespart“ = vieles kaputt, gespart nix

ape. Gäbe es ein „Wort des Jahrzehnts“, sollte nach meinem Dafürhalten die Wahl auf „kaputtgespart“ fallen. Denn die Resultate der damit bezeichneten, überwiegend seit den späten 1980ern mit Verve in Gang gesetzten Prozesse schlagen nun in fast allen Bereichen des deutschen Gemeinwesens schmerzhaft bis katastrophal durch. Wobei man dem direkten Sinn des Wortes „kaputtgespart“ als Zweitbedeutung die Begriffe „kaputtrentabilisiert“ und „kaputtprivatisiert“ beifügen müsste.

Gesundheitswesen bis hin zur Kinderversorgung und dem verlässlichen Nachschub mit Medikamenten = kaputtgespart, kaputtrentabilisiert, kaputtprivatisiert. Pflegewesen = dito; Bildungssystem = dito; Soziales Wohnungswesen = dito; Verkehrswesen = dito …

Als Beispiel sei das Verkehrswesen herausgegriffen und da die „Mehdornisierung“ des deutschen Eisenbahnwesens. Schneller, luxuriöser, rentabler sollte es werden – zwecks Feinmachens für den Börsengang. Hieß praktisch bis eben noch, grob gesagt: Schrumpfung des Schienennetzes in der Fläche; Reduktion des Personalstandes bei der Bahn; Konzentration auf die Entwicklung neuer Schnellzüge und den Bau (einiger, sündhaft teuren) Sonder-Schnellstrecken; Vernachlässigung der noch bestehenden Bahninfrastruktur mit zwangsweise negativen Folgewirkungen bei Verlässlichkeit, Pünktlichkeit, Service etc. in der Breite. Es fahren nun auf den Fernverbindungen die ICE-Züge (theoretisch) schneller, ist die Fahrzeit (theoretisch) um 10 bis 20 % kürzer geworden, und haben die Fahrgäste (theoretisch) nun auch prima Internet- und Telefonieranbindungen plus jetzt (wieder!) Prozellangeschirr im Speisewagen.

Doch irgendwie scheinen mir da die Prioritäten falsch gesetzt, wenn das Eisenbahnfahren zum unkalkulierbaren Abenteuer wird und vielfach die Reisedauer in summa schließlich doch 30 % länger ausfällt als im einstigen ollen D-Zug-Netz. Im Prinzip ähnlich die Situation im Straßenverkehrswesen. Allerdings mit dem feinen Unterschied, dass es hier nie eine Schrumpfung des Netzes gab. Das deutsche Straßennetz wurde seit Kriegsende in einem fort immer weiter ausgebaut – zu einem der dichtesten weltweit. Und dennoch erstickt der Straßenverkehr mit stetig fortschreitender Häufigkeit an sich selbst, und inzwischen mit ebenso stetig fortschreitender Häufigkeit an der jahrzehntelangen Vernachlässigung des bereits bestehenden Straßennetzes ( = kaputtgespart).

Die Schlussfolgerungen aus diesem Befund mag jede/r selbst ziehen. Eines jedoch ist unübersehbar: Es wird Hunderte Milliarden Euro kosten, die Ergebnisse und Folgen der „Sparprozesse“ jetzt und in näherer Zukunft auch nur halbwegs abzufangen und auszugleichen. Heißt schlussendlich auch: Vom Kaputtsparen ist aus dem Blickwinkel des Gemeinwohls bloß das Kaputt geblieben, von Spareffekten kann keine Rede sein.

Andreas Pecht

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Kulturjournalist i.R.

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