Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

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Der letzte Kampf der Treverer gegen Rom

ape. Riol/Trier. Die Wolken hängen tief. Nebelschwaden wabern über Wald, Wiesen, Äcker am Hunsrück-Abfall zur Mosel nahe des Ortes Riol. Zwölf Kilometer von der Trierer Porta Nigra entfernt stapft Anfang dieser Woche ein mit Metalldedektoren ausgerüsteter Suchtrupp der rheinland-pfälzischen Landesarchäologie durch den Dauerregen. Gesucht werden abschließende  Beweise dafür, dass an dieser Stelle vor 1945 Jahren römische Legionäre dem letzten Aufstand des hiesigen Keltenvolkes der Treverer den Garaus machten.

Mit Marcus Reuter, Direktor des Landesmuseums Trier, und Archäologiechef Axel von Berg stehen wir auf einer Anhöhe – wie anno 70 nach Christus womöglich die Kommandeure der von Mainz angerückten 21. Legion. Dass die Römer auf dieser Kuppe ihr Lager aufgeschlagen hatten, dafür sprechen Reste eines Wall-Karrees. Der Blick geht übers sich neigende Gelände zum gegenüberliegenden Waldrand. Dort hätten, erklärt von Berg, damals die Treverer Schlachtaufstellung genommen, um den Vormarsch des imperialen Militärs auf Trier zu stoppen.

Die beiden Fachleute hegen kaum noch Zweifel, dass dies der Platz ist, an dem rund 7000 römische Soldaten und eine unbekannte Zahl Treverer-Krieger damals zur Entscheidungsschlacht aufeinander prallten. Entsprechende Vermutungen gibt es seit dem 19. Jahrhundert, da der römische Geschichtsschreiber Tacitus im Jahr 71 die Schlacht von Rigodulum (Riol) und eben diesen Flecken sehr genau beschrieb. Eine derart signifikante Überstimmung zwischen antiker Quelle und realer Örtlichkeit sei ihm noch nie untergekommen, meint jetzt von Berg. Die Vermutung über die Lokalität des Kampfgeschehens verdichtet sich zur schieren Gewissheit, seit die Landesarchäologie unlängst Zugriff bekam auf eine Privatsammlung eben dort in früheren Jahren aufgespürter Altfunde.

Schleuderbleie, Lanzenspitzen, Teile von Schildbeschlägen, bronzene Schnallen von antiken Harnischen und andere auf die Zeit um 70 nach Christus passende Kleinteile sprechen nach Reuter, von Berg und ihrem gemeinsamen Chef bei der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE), Thomas Metz, eine deutliche Sprache: „Auf diesem Gelände kämpften Römer und Treverer gegeneinander.” Unterstrichen wird ihre Ansicht durch römische Münzenaus jener Zeit, die der völlig durchnässte Suchtrupp jetzt peu à peu auf dem Feld von Riol ausgräbt. Wieder und wieder piepsen die Detektoren. Meist fördert das Nachgraben Bombensplitter aus dem letzten Weltkrieg oder  Pfeilspitzen heutiger Freizeitschützen zutage. Doch dazwischen ertönt mehrfach freudiges „Hallo!” – und kann neuerlich ein Römergeldstück vom Dreck befreit werden.

Die zeitliche Nähe zur im Mai 2016 beginnenden Trierer Ausstellungstrias über Kaiser Nero  befeuert die Bemühungen der GDKE, die Ortsbestimmung des Schlachtfeldes wasserdicht zu machen und das Areal weiter zu erkunden. Denn diese erste in Mitteleuropa Person, Leben, Wirken, Rezeption Neros gewidmete Ausstellungskampagne wird eine große Sache, doch direkte Bezüge zwischen dem „verrückten” Kaiser und der hiesigen Region sind eher spärlich. Umso wertvoller wäre ein Ausstellungskapitel mit Regionalbezug – etwa über die Schlacht bei Riol.

Was hat das dort niedergeschlagene Aufbäumen der Treverer gegen Rom mit Nero zu tun, wo der zu jenem Zeitpunkt doch bereits zwei Jahre tot war? Direkte Folge der letzten Regierungsphase Neros war nach seinem Ableben anno 68 ein Machtvakuum. Das führte zum „Vier-Kaiser-Jahr”, in dessen Verlauf sich die Legionen gegenseitig zerfleischten. Dieses Chaos sahen die Treverer und deren nördliche Nachbarn, die Bataver, als Chance, gegen die Fremdherrschaft aufzubegehren. Nachdem Vespasian im Dezember 69 als Sieger aus dem innerrömischen Machtkampf hervorgegangen war, galt sein Bestreben sogleich der „Befriedung” der Provinzen.

So zog denn, wahrscheinlich im Frühjahr 70, die 21. Legion gegen die Treverer. Sie brachte den Kelten erst bei Bingen eine empfindliche Niederlage bei, stellte sie kurz darauf bei Riol zur Entscheidungsschlacht. Das Ende ist bekannt: Nach verzweifelten Rückzugsgefechten innerhalb Triers waren die Treverer für alle Zeit geschlagen – und wurde die Stadt auf Jahrhunderte so römisch wie kaum eine andere nördlich der Alpen.  

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