Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Knatsch um einen „Nestbeschmutzer“

ape. Mainz/Mittelrhein. Ach herrjeh, was ein Aufruhr über zwei Bemerkungen des rheinland-pfälzischen Kulturstaatssekretärs und Welterbebeauftragten Walter Schumacher über weniger erfreuliche Momente im Mittelrheintal. Das Loreley-Umfeld sei „relativ versifft“ hatte er im  Interview mit der  jungen Burgenbloggerin Jessica Schober gesagt. Und: „Jeder brödelt da (im Mittelrheintal, ape) so vor sich hin. Man hat hier noch Zäune um die Orte rum.“ Die CDU im Mainzer Landtag  forderte gestern deshalb Schumachers Amtsenthebung. Dessen SPD-Genossen verwahrten sich zwar gegen derartige „Skandalisierung“, nannten die Äußerungen aber „undiplomatisch“.

Geht’s noch?! Man kann an Schumacher und seiner Politik manches kritisieren, aber gewiss nicht, dass er zweimal einfach die Wahrheit sagte. Jeder, aber auch wirklich jeder, der nicht mit völliger Blindheit und/oder lokalpatriotischer Ignoranz geschlagen ist, weiß von vielen unschönen bis eben „versifften“ Stellen sowie vom andauernden Elend lokal bornierten Kirchturmdenkens im Welterbegebiet Oberes Mittelrheintal. Dennoch befleißigen sich Landespolitiker und Touristiker auf allen Kanälen seit Jahr und Tag eines Sprachreglements, das bemüht ist, mit eimerweise rosafarbenen Werbefloskeln diese Negativa zu übertünchen.

Mehr noch: Man gewinnt oft den Eindruck, sie können gar nicht mehr anders reden als im Gestus superaltiver Lobhudelei. Und noch mehr: Die (schönfärberische bis verlogene) Betrachtungsweise der Werbung scheint bis ins Landesparlament hinein zum dominanten Faktor der Selbstwahrnehmung geworden zu sein. Nur so ist erklärbar, dass Schumacher nun von allen Seiten Prügel kriegt ausgerechnet dafür, dass er mal in zwei Sätzen unverblümt reale Missstände ansprach.

Der Vollständigkeit halber muss auch eine dritte Bemerkung in jenem Interview erwähnt sein. Bezug nehmend auf Protestierer gegen Bahnlärm bei einem Besuch des Bundespräsidenten 2012 am Mittelrhein, meinte Schumacher: „Ich verstehe ja, dass der Lärm unangenehm ist, aber kann man bei der Gelegenheit nicht einfach mal sagen, wie schön es hier ist.“ Da stolpert der Kulturstaatssekretär dann doch über seinen Versuch auf des Messers Schneide zwischen wenigen kritischen Worten und ansonsten doch wieder sehr viel der üblichen Schwämerei für die Region zu balancieren. Ausgerechnet den Bahnlärm-Gegnern in die Parade zu fahren, war wahrlich „ungeschickt“. Werden doch Bahnlärm und fehlende Rheinbrücke vor Ort gerne für die EINZIGEN Hindernisse auf dem Weg in eine goldene Zukunft des Mittelrheintals gehalten. Der Bahnlärm wiegt schwer; aber wäre er weg, blieben noch immer versiffte Plätze und Kirchturmdenken. Das aber soll man wohl nicht aussprechen – von wegen Nestbeschmutzung. Ach herrjeh.

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