Monatskolumne Nr. 240, 1. Juli 2025
„Hurra, jetzt haben wir sie: der Deutschen liebste Jahreszeit, Hochsommer.“ Das ist allerdings nicht nur eine deutsche Vorliebe. Auch anderwärts freuen sich ganz viele Leute über die Wochen mit den langen Tagen, lauen Abenden, der beschwingt südländischen Draußenkultur in luftiger Kleidung. Sommerfreuden sind multikulturell. Im Grunde ist der Sommer in allen Ländern beliebt, wo es auch Winter und nasskalte Zwischenjahreszeiten gibt. Indes: Nicht nur in klimatischen Regionen, die sich im Sommer auf 45 und mehr Grad aufheizen, hält sich die Begeisterung oft in Grenzen. Auch bei uns hier gibt es ein paar Millionen Mitbürger, denen schon bei 25 bis 30 Grad eher plümerant als behaglich zumute ist.
Ich erzähle das nicht, um zu all der Miesepetrigkeit unserer Tage nun obendrein die Sommerfreuden zu zermeckern. Auch nicht, um gleich allerhand Verhaltens-Tipps aufzulisten, wie man sich in den häufiger und extremer werdenden Hitzephasen vernünftig verhält. Das lässt sich derzeit in allen Zeitungen nachlesen. Die einen wissen es und versuchen sich entsprechend zu verhalten. Andere interessiert es nicht – bis das ignorante Hirn kocht und sie mit etwas Glück von Ferne eben noch „tatütata“ mitkriegen. Wer partout nach der Devise verfahren will „stellt euch nicht so an, früher war es im Sommer auch schon heiß“, mag das tun. Er oder sie soll aber dann nicht rummaulen, wenn er oder sie mit 60 oder 70 Jahren merkt, dass er oder sie Hitze schlechter verträgt als mit 20 oder 30. Ganz davon abgesehen, dass Hitze heutzutage selbst hierzulande nicht mehr 25 bis 30 Grad meint, sondern 30 bis 35+; in den Städten noch ein paar Grad drauf.
Ich selbst liebe Sommer. Vorzugsweise bei Temperaturen zwischen 23 und 27 Grad; das ist meine Wohlfühlspanne. Freund Walter ist auch noch bei sechs Grad mehr quietschfidel. Da strecke ich bereits alle Viere von mir. Ich mag nicht, ich will nicht, ich kann nicht, lautet dann mein Bescheid aus dem Rentnerdomizil im Schatten des heimischen Haselgebüsch’, wenn der Freund nach seiner Frühschicht vorschlägt: „Lass uns in die Stadt fahren, ins Straßencafé sitzen und Leute gucken.“
Ach, verlockend ist das schon. Denn sommermodisch gibt es ja so viel Hübsches zu sehen – neben all dem, was man eher nicht sehen will, gleichwohl freizügig gezeigt bekommt. Es fielen mir neulich zwei modische Randphänomene ins Auge, bei deren Anblick ich mir sogleich eine uralte Volksweisheit in Erinnerung rief: „Über Geschmack lässt sich gar nicht oder heftig, aber völlig vergebens, streiten.“ Marlene Dietrich trug einst sehr weite Hosen; davon abgeleitet war wohl das Beinkleid einer mir in der Stadt begegnenden Frau. Allerdings war deren bodenlange Hose so gewaltig ausladend, dass man die Dietrich in jedem Hosenbein zweimal hätte verstecken können. Im Reich der jungen Herrenmode wurde es dann arg befremdlich: Weite dunkle Cordhose, auf halber Wade abgeschnitten; dazu stramm hochgezogene weiße Socken in Badelatschen.
Generell jedoch, so mein Eindruck, verhält es sich bei der Sommermode mittlerweile wie bei den Sommerfreuden: Sie ist multikulti – alles geht. Find’ ich gut. Doch leider wird mir bei 30 plus X Grad im fortschreitenden Alter selbst das genüssliche Gucken zu anstrengend. Ab 35 Grad halte ich es sogar im Haselschatten nicht mehr aus. Dann verkrümel ich mich bis zum Abend ins Rolladen-verrammelte Wohnzimmer. Sommerfreuden, mal so, mal so.