Nachtgedanken (sehr subjektiv).
Letztlich begreife ich nicht wirklich, warum US-Amerika gewählt hat, wie es gewählt hat. So wenig ich bis heute vollends begreife, warum Deutschland 1932/33 wählte, wie es wählte. Ebenso wenig begreife ich, warum heute rund ein Fünftel der deutschen Wähler wählen, wie sie wählen, nämlich rechtsextremistisch. Das Nichtbegreifen will auch nach der Lektüre von tausenderlei banalen bis sehr klugen Analysen und Erklärungsversuchen für das Wahlverhalten in allen drei Fällen nicht schwinden. Denn im Grunde, so denke ich, müsste doch jeder und jedem klar sein, dass das messianische Versprechen auf ein „goldenes Zeitalter“ (Trump) seit jeher nur hohles Pathos ist – und man im besten Falle vom Regen in die Traufe kommt, ja die Gefahr bei näherem Hinsehen groß ist, dass man nachher noch nasser wird, als man vorher wurde.
Ich fürchte, dass bei den genannten Wahlentscheidungen ein ideologisch-psychologisches Mischmasch jenseits der Rationalität ausschlaggebend war/ist, das sich meinem Begreifenkönnen einfach entzieht – weil mir viele der dortigen Triebkräfte wesensfremd sind und trotz aller Neigung zur Empathie auch unbegreiflich bleiben. Und weil ich nach allerhand Nachdenken zu dem Schluss gekommen bin, dass Machtübernahmen durch nationalistische Rechtsextremisten oder rechtsextremistische Nationalisten ein großes Unglück für das Leben im Inneren der betreffenden Länder wie für die unkriegerische Verständigungsbereitschaft zwischen ihnen sind, deshalb kann ich solche Wahlentscheidungen auch nicht „akzeptieren“. Akzeptieren im definierten Wortsinne von „damit einverstanden erklären“. Eventuelle Mehrheiten hin oder her.
Gleichwohl komme ich um die von mir nicht beeinflussbaren objektiven Umstände nicht herum: Trump ist wieder an der Macht, Putin noch immer; andere Diktatoren, Oligarchen, Rechtspopulisten sind es ebenfalls oder greifen danach. Was nun? Als 70-Jähriger mit inzwischen einigen bewegungseinschränkenden Gebrechen bleibt mir nur: genau hinschauen, analysieren, denken, sprechen/schreiben, plädieren, wählen, bisweilen (etwas) demonstrieren. Und: Nicht akzeptieren, also nicht resignieren. So denke ich und plädiere ich fürs erste heute: Der Bedrohung durch die Trump-, Putin- und China-Systeme muss ein starkes, geeintes, demokratisches, buntes Europa gegenüberstehen. Was freilich gleichzeitig heißt: Den rechtsextremistischen Bestrebungen innerhalb Europas – die gleichermaßen mit Trump und mit Putin liebäugeln – so gut wir können, jede/r nach eigenem Vermögen, nachdrücklich und anhaltend Paroli bieten.