Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Fürchtet euch nicht. Zürnt und handelt

Geplant waren an dieser Stelle eigentlich launige Sätze zur gespannten Erwartung, mit der die Mittelrheinischen dem Start der Bundesgartenschau Koblenz am 15. April entgegenfiebern. Doch nun entstehen diese Zeilen am Tag 8 der Japan-Katastrophe, und mir ist die Lust an Launigkeit vergangen. Die Leserschaft wird Verständnis haben. Mir ist auch die Geduld abhanden gekommen, in gepflegter Ruhe mit AKW-Fans zu diskutieren. Wer jetzt nicht sieht, was Sache ist, der will nicht sehen, will bloß glauben. Technikgläubigkeit ist wie religiöser Fanatismus. Allmachtsfantasterei. Deutsche AKWs seien sicher, weil es hier keine Tsunamis gäbe. Nichts begriffen!

Genug. Es gibt eine Zeit zum Reden und eine zum Handeln. Jetzt ist die Zeit des Handelns. „Bundesregierung und Atomwirtschaft handeln doch, lernen um“, tönt es allseits. Ach was: Die Krokodile weinen. Ich glaube ihnen kein Wort. Sie tricksen. Um zu retten, was zu retten ist – an Macht, Einfluss, Profit. „Deine Rede sei ja, ja und nein, nein“ heißt es biblisch. Ich höre nur „blub, blub, blub“. Dieser Blub meint: Zeit gewinnen, Nebelkerzen werfen, Beruhigungspillen ans blöde Volk verteilen. Dazu jaulen die Bedenkenträger: „Rascher Atomausstieg kostet Milliarden, der Strompreis explodiert, die Lichter gehen aus.“

230 Milliarden Euro würde Deutschland ein Totalausstieg bis 2020 kosten, hat einer ausgerechnet. Na und?! So viel kostete die japanische Atomkatastrophe (ohne die übrigen Beben- und Tsunami-Schäden) in der ersten Woche. Freilich werden die Strompreise explodieren – solange die Oligarchen von RWE und Co. nach Belieben Rahm abschöpfen. Dem könnte Einhalt geboten werden, politischen Willen vorausgesetzt. Die Lichter gehen keineswegs aus – sofern nicht ein AKW-GAU Teile des Netzes sprengt. Sieben deutsche Meiler sind jetzt abgeschaltet, und nichtmal die Glühbirnen flackern.

Selbst wenn der Strom gelegentlich für eine Stunde wegbliebe, selbst wenn der Strompreis um 20 Prozent stiege: Wollten wir wegen solcher Wohlstands-Petitessen alles aufs Spiel setzen,  Gesundheit, Leben, Umwelt, Zukunft der Kinder? Was wären ein paar Unannehmlichkeiten gegen das Grauen des entfesselten Restrisikos. Ja, ja, ich höre den Spott, das Gemaule, die Anfeindungen, dies sei modisches Endzeitgejammer, gar Agitation mittels japanischer Opfer. Pardon, den aktuellen Horrorbeweis für die reale Unbeherrschbarkeit des Restrisikos habe nicht ich angezettelt, den erbringen die AKWs selbst.

Es ist bitter genug, 25 Jahre nach Tschernobyl schon wieder Recht behalten zu haben. Aber soll ich mich dafür schämen? Schämen müssten sich die Offiziellen, die jetzt tun, als sei erst mit der japanischen Katastrophe das Gefahrenpotenzial der Atomkraft erkennbar geworden. Verlogene Bagage. Sie wissen es seit Jahrzehnten, doch bei der „Risikoabwägung“ ging Profit stets vor. Schluss damit!  Deshalb: Jetzt handeln, Druck aufbauen. Jeder auf seine Weise: zu Öko-Stromanbietern wechseln; demonstrieren, wieder und wieder, gerade während des Moratoriums; auf dem Wahlzettel protestieren. Dazu dies: Auch sehr viele CDU- und FDP-Mitglieder sind für den Ausstieg;  liebe Leute, macht euren Oberen Dampf.

Und keine Bange: Es geht, wir können die AKWs abschalten, alle, zeitnah. Deutschland baut angeblich die besten Autos und Maschinen der Welt. Bei solchen Potenzialen kriegen wir es ganz sicher hin, lächerliche 20 Prozent Atomstrom klug zu ersetzen. Das wäre mal eine globale Vorreiterrolle, für die zu schwitzen sich wirklich lohnt.

Andreas Pecht

Kulturjournalist i.R.

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