ape. Bernd Ulrich hat in der jüngsten Ausgabe der „Zeit“ (Nr. 52, 4.12.25) einen ganzseitigen Artikel tiefer Nachdenklichkeit und zugleich scharfer Analyse geschrieben. Die Überschrift hat er nicht dem Erfindungsreichtum von HÜ-Redakteuren überlassen, stattdessen den Zentralgedankens seines Textes an den Seitenkopf gesetzt: „Die Menschheit hat beschlossen, ungebremst in die ökologische Katastrophe zu gehen“. Diese gnadenlose Zeile ergänzte er um eine kleine Unterzeile in Klammern: „(Das kann doch wohl nicht wahr sein! Und wenn doch?)“. Anschließend unterzieht er die Überschrift einer Überprüfung anhand der Realitäten – auf Widerlegung hoffend, die er aber nicht finden kann, sondern stattdessen im Grunde auf die Fortführung der angestammten Raubbauwirtschaft stößt.
Ulrichs Text umfasst einen wesentlichen Teil jener Grundgedanken, die schon seit etlichen Jahren meine eigene Wahrnehmung fast aller sich auf der Kurzfrist- oder Mittelfristagenda tummelnden politischen und ökonomischen Themen quasi als Hintergrundraunen begleiten: Da steht immer und überall ein Elefant in Raum, der alles zu zertrampeln droht, den aber trotzdem kaum jemand sehen will – die ökologische Globalkatastrophe. Drei der Aspekte des Artikels möchte ich kurz anreißen, die, obwohl essenziell, im allgemeinen Diskurs in dieser Art eher selten auftauchen.
1. Wir müssen mit wachsendem Entsetzen zur Kenntnis nehmen, dass die sich peu a peu durchsetzende jüngste Haupttendenz in der globalen wie nationalen Umweltpolitik (teils auch im gesellschaftlichen Umweltbewusstsein) die De-facto-Abkehr vom Willen zur ökologischen Wende ist. Als Extremfall wirkt die Trump-Regierung, die nicht nur jedes ökologische Bemühen sabotiert, sondern massiv bekämpft. Daneben finden wir bei nahezu allen internationalen Umweltkonferenzen und nationalen Politikansätzen jüngster Zeit in der Sache: Stillstand, absehbares Nichterreichen vormals verkündeter/vereinbarter Zielmarken, Ziel-Verwässerung, Reduktion und Verlangsamung der Bemühungen etc. Der CO2-Eintrag in die Atmosphäre sinkt nicht etwa, er steigt. Ebenso die Plastikvermüllung von Meeren und Atmosphäre, ebenso der Flächenverbrauch und das Artensterben.
Ulrich bringt nun zudem einen häufig „vergessenen“ Umstand in Erinnerung: Selbst wenn die Menschheit die vor 10, 15 Jahren in Paris und anderwärts gefassten Wende-Vorsätze in die Tat umgesetzt hätte, und weniger CO2, weniger Plastikmüll, weniger Flächenverbrauch verursachen würde: „Weniger“ ist nicht Null, sondern bedeutet weiterhin „mehr“ Anwachsen der sich seit Jahrzehnten resp. zwei Jahrhunderten aufsummierenden Belastungen/Zerstörungen, schließlich bis hin zu den unumkehrbaren ökologischen Kipppunkten.
2. „Man könnte lange darüber streiten, ob die Klimakrise für sich genommen zu einer ökologischen Katastrophe ausartet, die unserer heutigen Zivilisation ihre Grundlage entzieht, und wenn ja, wann. Werden wir bis 2050 bei zwei Grad sein oder bei drei? (…) Die wissenschaftlich grundierte Klimadebatte erzeugt immer wieder Genauigkeitserwartungen, die sie dann nicht erfüllen kann. Daraus entsteht der Eindruck, dass man doch letztlich nicht genau wisse, wie schlimm es komme, und jetzt mal halblang. Das funktioniert jedoch nur, weil die Klimakrise üblicherweise nicht mit den anderen ökologischen Krisen zusammengedacht wird. (…).“
Dabei sei sonnenklar, so Ulrich weiter „dass die Kombination aus Ausdünnung der biologischen Netze, also Artensterben, aus Korallenbleiche und Mikroplastik im Meer bei gleichzeitiger Überfischung und Übersäuerung, aus Bodendegradation, Wasserknappheit und Gletscherschmelze, aus Waldsterben und steigender Pandemie-Wahrscheinlichkeit, aus Insektensterben, Insektenmigration und Pilzbefall der Monokulturen selbst schon den Begriff der Katastrophe rechtfertigen würde, wenn das alles nicht durch die steigenden Temperaturen auch noch ins Quadrat gesetzt würde.“ Es sei schier unvorstellbar, dass die Menschheit es noch lange aushält, ihren wichtigsten Beschluss (in die ökologische Katastrophe zu gehen; ape) nicht zu ihrem wichtigsten Thema zu machen. Denn trotz aller strapaziösen Verdrängungsmechanismen sei eigentlich unsere Gegenwart ohne den größten anzunehmenden Elefanten im Raum nicht mehr zu verstehen.
3. Noch einen Gedanken des „Zeit“-Autors, der sich erstmal setzen muss, der in Ruhe überdacht sein will: „Der Rechtspopulismus bietet den Leuten eine menschenverachtende, gegenwartsgierige Ideologie an, die zur naturverachtenden, zukunftszynischen Praxis (der regressiven Umweltpolitik. Ape) passt. Planetare Empathielosigkeit auf diese Weise politisch zu bejahen – für diese Ideologie müsste ein Name erst noch gefunden werden, Faschismus wäre vielleicht zu antiquiert.“
