Monatskolumne Nr. 242, 29. August 2025
Mitte August. Nach einem der Hitzetage sitze ich mit Freund Walter in dösiger Erschöpfung auf der Veranda. Wir suchen ein Thema für die September-“Quergedanken“. Den drögen Hirnkästen will aber keines einfallen. Es drängt sich nur immerfort auf, worüber alle schreiben, reden, sich aufregen: der Politkram. Ist wichtig, ist nötig, denn noch dreht die Menschenwelt sich ja weiter, freilich verkehrt herum. Doch dazu habe ich keine Lust. Walter schlägt vor: „Du hast vor langer Zeit mal ein hübsches Textchen geschrieben mit Sommerabend-Impressionen. Daran hätten viele ihre Freude.“ Hmmm, einen alten Text aufwärmen? Geht mir irgendwie gegen den Strich. Aber, ach, was soll’s: Im Fernsehen wird ständig alles dutzendfach wiederholt. Da kann ich nach fast 20 Jahren auch ein olles Schmankerl nochmal aufs Tapet bringen, das so schön zum Hochsommerausklang passt. Also denn:
„Der Weg zum Sommerabendglück führt über die Parkplatzsuche. Moselufer runter, Rheinufer rauf, zum Schloss rüber – schleichen, spähen, hupen, winken, warten. Drumherum strömt es Richtung Altstadt: Paare, Gruppen, Einzelgänger. Eilig dieser, er darf ein Date nicht verpassen. Gemächlich jene beiden, sie haben sich schon gefunden. Laut sich ihrer Kraft versichernd, die Jungs aus den Kasernen; noch zurückhaltend ihren Auftritt probend, die hübsch herausgeputzten Mädchen. Die Lücke auf dem Theaterparkplatz, der Weg hinüber ins Zentrum – durchs Dunkel der Torbögen unterm Rathaus fließt den Hinzukommenden ein Raunen, Sirren, Summen, entgegen, wie es Hunderte anrühren, die sich den Freuden von ins Freie verlegten Cafés, Gasthäusern, Kneipen, Weinstuben und allgemeiner Geselligkeit ergeben.
Die Luft ist schwer, ölig fast von der nur langsam ablaufenden Schwüle. Die Stadt aalt sich in mediterraner Nonchalance. Schwitzend erblüht die Leichtigkeit des Seins; der Platz wird zur Plaza – und hinter der nächsten Häuserzeile möchte man einen abendlich leeren Strand an vor sich hin plätscherndem Meer vermuten, dessen schwärzer werdende Oberfläche eben das letzte Glutrot der untergehenden Sonne verschluckt hat.
Durch die Gassen strömt Gelassenheit. Die Menschen schlendern, bummeln, flanieren. Diesen ist´s einerlei, ob man sie betrachtet, über sie redet. Jene wollen betrachtet und besprochen sein, ihnen ist die Straße ein Laufsteg. So ein Sommerabend nimmt den Männern Härte, unterstreicht der Frauen Anmut. Er übergießt Schönheit mit mehr Schönheit, erhebt Durchschnittlichkeit in den Rang des Besonderen, und selbst graugesichtiger Verkniffenheit flicht er noch eine Blume ins Haar.
Der Abend gehört dem Cappuccino und dem Wein, dem zischenden Bier, der Zigarre oder der Eistüte. Und immer wieder gehört er auch dem genießenden Blick auf die Genüsse anderer. Männeraugen bleiben an Frauengestalten hängen, die schwindelig machen. Wie schwebend verweilen sie, wie tanzend ziehen sie weiter. Blicke ertrinken in Gläsern oder in den Gesichtern ihrer Gegenüber. Ein großes Wohlfühlen, ein Herzen und Streicheln erfüllt die Stadt – zärtlich und verspielt, neckend und frivol, unschuldig, aber voller Lust. Dies ist die Stunde des Werbens und Umschwärmens. Ihr wird die Stunde des Begehrens folgen, während der Hände einander finden und Küsse sich auf den Weg machen. Am Ende werden Glückliche von nicht ganz so Glücklichen geschieden sein: Paare umschlungen davonziehen, Alleingebliebene ihnen lächelnd nachschauen und melancholisch ihre Gläser halten. Sommernachtsträume.“