Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Lust und Leid der Hochsommerzeit („Quergedanken“)

Monatskolumne Nr. 216 Juli 2023

Es gibt doch kaum etwas Schöneres, als nach heißem Sommertag einen lauen Abend im Biergarten oder Straßencafé, auf der Veranda oder dem Balkon zu verbringen. Behaglich in die Stühle gefläzt, entspannt auf Bänken hockend, vor sich ein kühles Getränk, vielleicht noch eine leichte leckere Speise: Während die Sonnenglut hinter Häusern, Bäumen, dem Horizont vergeht, plätschern Denken und Plaudern nur mehr wohlig träge dahin. Hemdsärmelig und kurzbehost oder -berockt, lässt eben noch verschwitzte Haut sich von Abendluft und Dämmerstimmung beruhigend streicheln – und einstimmen auf die Nacht nackend unter luftigem Leinen statt im Schlafkleid unter schwerem Plumeau.

Das sind die kleinen Weilen, in denen unsereiner gerne sprichwörtlich den lieben Gott einen guten Mann sein lässt. Ein paar Stunden, in denen einem die Unbilden der schnöden Welt mitsamt der aufgeregten Pallaverei darüber den Buckel runter rutschen können. Sehr angenehm, das. So angenehm wie manch anderes sinnliche und ästhetische Momentum, das der Sommerzeit auch tagsüber zu eigen ist, jedenfalls sein könnte. Etwa die Verlangsamung des öffentlichen Lebens, Bereitschaft und Lust zum Pausemachen und Verweilen, die selbst erlebende wie schauende Freude am nur mehr leicht bekleideten Dasein bei sonnigen 22 bis 28 Grad. Was übrigens ungefähr der Spanne gemäßigter Temperaturen entspricht, die unsere nacheiszeitliche Entwicklung zu sesshaften Agrar- und Hochkulturen überhaupt erst möglich machte.

Freund Walter brummt unwillig: „22 bis 28 Grad. Schwelgst du mal wieder in alten Zeiten? Die 1960er und 1970er sind längst vorbei. Wir schreiben 2023; die Sommer sind nicht mehr, was und wie sie waren.“ Ja doch, ich weiß. Damals ließen wir hin und wieder fordernde Gesänge durch die Schulen dröhnen: „30 Grad im Schatten, wir schwitzen wie die Ratten, unser letzter Hilfeschrei: hitzefrei, hitzefrei!!“. Heutezutage, in klimagewandelten Zeiten, müssten daraus oft wochenlange Dauerkonzerte werden. Immerhin hatten wir dieses Jahr hinsichtlich der Temperaturen Glück und einen gemäßigten Frühsommer (diese Zeilen wurden Mitte Juni geschrieben): Die Nächte angenehm kühl, die Tagesmarke meist noch unter 30 Grad.

Allerdings war wieder ein neues Wort zu lernen: „Blitzdürre“. Hatte ich noch nie gehört, bis die ZDF-Meteorologin es benutzte und erklärte. Nach diesmal kräftigen Niederschlägen im Spätwinter ist die Vegetation im Frühjahr nachgerade explodiert und sehr füllig gewachsen, zieht seither jede Menge Wasser aus der Erde und lässt es – bei dauerhaftem Sonnenschein und ordentlich Wind — übers Grünwerk verdunsten. Dummerweise blieb nun in genau dieser Phase Wassernachschub aus; vielerorts fiel seit Anfang/Mitte Mai kaum noch oder gar kein Regen mehr. Ergebnis: Blitzdürre, Austrocknung der oberen und mittleren Bodenschichten binnen kürzester Zeit, statt im Laufe von Monaten.

Für die nächsten Tage sind Tiefdruckgebiete mit Gewittern und „Unwetterpotenzial“ angekündigt. Es kann einem auf den Keks gehen, dieses ständige Hin-und-her der Extreme. Jedesmal erneut die Befürchtung, eine Hochdruckphase möchte mit fatalem Krawallwetter enden oder das Schönwetter sich mal wieder zu einer langen Dürre- und Hitzeperiode mit über 30, 35 oder noch mehr Grad aufschwingen. Dann wird die eigentlich schöne Sommerzeit für allerhand Mitmenschen selbst in unseren ehedem gemäßigten Breiten anstrengend, für nicht wenige gar zur Qual.

Andreas Pecht

Kulturjournalist i.R.

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