Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Es gibt keinen Zaubertrank gegen das Altern („Quergedanken“ Nr. 215)

Was ist die häufigste Todesursache? Ginge man nach der Krimi-Überflut, wäre es: Mord. In der realen Sterbestatistik taucht diese Todesart allerdings erst ganz weit hinter einer langen Liste von Krankheiten auf. Erstaunlicherweise fehlt da fast immer die hundsgewöhnlichste aller Todesursachen: das Alter. Offenbar wird Altsein heute vornehmlich als Summe von Krankheiten betrachtet, die schließlich zum Ableben führen. Und wie verhält sich unsere Zivilisation gegenüber Krankheiten? Sie strebt nach deren Vermeidung und/oder Heilung. Weshalb Gesundheits- und Fitnessratgeber, die solches versprechen, der Menge nach wohl gleichauf mit Krimis rangieren.

Im Grunde lautet deren Devise: Was sind die besten Mittel gegen das Altern? Freund Walter pflegt derartige Fragen so zu beantworten: „Es gibt kein Mittel gegen das Altern. Alle altern, ständig. Lebend ist hier noch nie jemand rausgekommen.“ Was ihn freilich schon mit 30, 40, jetzt als Anfang-50er nicht daran hindert, bisweilen einen Blick zu werfen auf jeweilige Forschungen zu Krankheitsprävention, Alternsverlangsamung oder Milderung von Altersgebrechen. Weshalb manche unserer Plaudereien bei Gesundheitstrends oder abstrusen Moden zur Steigerung von Fitness und Leistungsvermögen landen.

Dabei haben sich über die Jahrzehnte drei tragende Säulen für eine maßvoll vernünftige Lebensführung herauskristallisiert. 1.) Bewegung, Bewegung. 2.) Gemüse, Gemüse. 3.) Ruhe, Ruhe. Mit zwei weiteren Säulen tritt zur Vernunft noch das – nicht minder gesundheitsrelevante — Glück: 4.) Liebe, Liebe sowie 5.) Genuss, Genuss. Löst man tausende Gesundheitsrichtungen jüngerer Zeit von allem ideologischen, esoterischen, dogmatischen Brimborium, bleiben bei den meisten im Kern diese fünf Säulen. Jede lässt sich in zahllose Stränge auffächern. „Liebe“ umfasst die geschlechtliche ebenso wie u.a. positive Sozialkontakte; „Genuss“ kann das Genießen von Kunst und Kultur meinen, den Aufenthalt in der Natur, selbst mal die Schlacht am Kuchenbuffet. „Wer ganz ohne Sünde lebt, lebt nicht“, meint Walter.

Für die Praxis bergen schon die fünf Säulen ein gehöriges Potenzial an möglichen Widersprüchen. Da für sich selbst eine vertretbare Balance zu finden, ist auch ohne die Absolutheitsansprüche diverser Gesundheitsschulen mit ihren ausgefeilten bis irrwitzig spartanischen Lebensstilprogrammen nicht ganz einfach. Doch lassen sich aus dem Säulenmodell für jedermann ein paar Anhaltspunkte ableiten. Etwa dieser: Die Evolution hat den Homo sapiens über Jahrhunderttausende als Bewegungsmaschine geschaffen. Jagen, sammeln, Brennholz beitreiben, neue Lagerplätze erwandern… Unsere Leiber sind mitsamt der Körperchemie nun mal bis heute für viele Stunden Bewegung täglich gebaut, nicht für viele Stunden Rumsitzen. Sie sind auch nicht für allzeit volle Mägen konstruiert, erst recht nicht für die dauerhafte Überversorgung mit Zucker und Industriepampe.

Walter und ich (gemäßigte Allesfresser) wollen aus unserer Ernährung weder eine Wissenschaft noch ein Dogma machen. Doch sind wir neugierige Kerls und den Genusselementen des Lebens zugetan. Weshalb wir munter auch alles kosten, was an Speis’ und Trank etwa aus den vegetarischen, veganen oder Küchen der Ernährungs-Docs kommt. Manches verwerfen wir rasch, manches davon aber bereichert unseren Speiseplan, einfach weil’s gut schmeckt. Dass vieles davon auch gesund ist, nehmen wir als Begleiterscheinung in Kauf.

Andreas Pecht

Kulturjournalist i.R.

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