Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Ein trockener Befund zur Sache „Migranten in Deutschland“

ape. Es liegt glasklar auf der Hand: Deutschland braucht mehr Kranken- und Altenpfleger, mehr Facharbeiter und Ingenieure, mehr Lehrer, Handwerker, Polizisten, Richter … Und zwar nicht nur ein paar Hundert mehr, sondern etliche Hunderttausend. Es liegt ebenso auf der Hand, dass dieser Bedarf insbesondere an jungen Nachwuchskräften aus dem heimischen Bevölkerungspool nicht mehr gedeckt werden kann.

Selbst wenn bei den jetzt hier zur Welt kommenden Mädchen im Erwachsenenalter die durchschnittliche Geburtenrate wider Erwarten auf die Reproduktionsrate von 2,1 Kindern hochschnellen sollte (wovon wir wie fast alle Industruieländer himmelweit entfernt sind): Es würde drei bis vier Generationen dauern, bis der Alterungsprozess der Gesamtgesellschaft spürbar verlangsamt wäre.

Vor einigen Wochen hatte ich die These vertreten: In längstens fünf Jahren werden deutsche Wirtschaft und deutscher Staat Personalanwerber in alle Welt schicken. Dieser Prozess hat bereits begonnen. Für die Werber bieten ärmere Länder mit hohen Geburtenraten und also niedrigem Durchschnittsalter die größten Erfolgsaussichten. Ein wesentlicher Teil des unverzichtbaren Fachkräftenachwuchses wird also aus Ländern der Dritten und Vierten Welt kommen (müssen). Da nirgendwo gut ausgebildete Leute auf den Bäumen wachsen, wird man sie hier ausbilden, bilden, sozialisieren müssen. Und wenn sie anschließend hier arbeiten sollen, werden sie – wie es bei allen „Gastarbeiter“generationen zuvor der Fall war – in großer Zahl hier auch ansässig, Familien gründen, Teil der deutschen Gesellschaft.

Gibt es einen anderen Weg? Ich wüsste keinen. Weshalb m.E. Deutschland mit seiner derzeitigen Migrantenabwehrpolitik eine Chance vertut und nur wertvolle Zeit vertrödelt – die es nachher unter verschärftem Problemdruck hektisch wird aufholen müssen.

Natürlich: Jede Entwicklung hat stets mehrere Seiten, auch schwierige und dunkle. Wenn es aber zur Entwicklung selbst, wie in diesem Fall der Internationalisierung des Fachkräftenachwuchses, keine Alternative gibt, dann bedarf es umso größerer Bemühungen, Lösungen für die schwierigen Seiten zu finden. Jeder Lehrer etwa kennt dieses Problem seit jeher unter der Fragestellung: „Was mache ich mit den Lernschwächeren, wie gehe ich mit Rabauken in der Klasse um?“

Deshalb unterscheiden sich auch die Mittel und Methoden, die zur Beherrschung der schwierigen Seiten der Migration nötig sind, kaum von denen, die zur Problemlösung in den schwierigen Bereichen der stammdeutschen Gesellschaft angezeigt sind. In bildungsfernen, abgehängten, untersozialisierten oder auch asozialen Milieus helfen nur Bildungsangebote,  gezielte Förderung, Unterstützung, Öffnung beruflicher Perspekiven, Sozialarbeit, Integration ins und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben etc.  Und hier wie da kommt in kriminellen Extremfällen die rechtsstaatliche Exekutive zum Einsatz.

Dieser Weg war noch nie einfach, aber einen anderen gibt es nicht. Leider sind derzeit viele Zeitgenossen von der SCHEINBAR einfachsten aller Lösungen wie besessen – obwohl das die gefährlichste ist, weil weder objektiv möglich noch überhaupt wünschenswert: die Abriegelung des Landes gegen und seine Reinigung von allen Migranten. Denn ohne diese würde Deutschland absehbar seine wirtschaftliche Stärke verlieren und müsste seine dann noch schneller alternde Gesellschaft bald mit vollends desolaten Sozial-, Kranken- und Pflegesystemen auskommen.
 
Andreas Pecht

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