Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Zum heutigen 100. Jahrestag des „Ausbruchs der Oktoberrevolution“

ape. Heute vor 100 Jahren. 7. November 1917 (25. Oktober nach julianischem Kalender) = Symboldatum für „Ausbruch der russischen Oktoberrevolution“. Bei Durchsicht der medialen Aufbereitung des Themas wird einmal mehr erkennbar: Es gibt in der landläufigen Geschichtsbetrachtung verbreitet eine starke Neigung zu entweder Verklärung oder Aburteilung und Verdammung dieser Revolution, ja bisweilen jedweder Revolution. Letzteres ist zwar verständlich angesichts der Opfer, die revolutionäre Erhebungen zumeist kosteten, sowie ihrer oft tragischen Folgeentwicklungen. Unter die Räder gerät bei solcher Betrachtungsweise allerdings der zentrale Umstand, dass es zu Revolutionen stets dann kam/kommt, wenn die Gesellschaftszustände – vielfach nach Generationen der Bedrückung und des Darbens – zu völliger Unerträglichkeit herangereift sind.

Dann genügt oft ein kleiner Funke (zB massive Brotpreiserhöhung 1789 in Frankreich oder 1918 der Einsatzbefehl an die deutsche Kriegsmarine zu einer sinnlosen letzten Seeschlacht gegen die Royal Navy), das gärende Fass explodieren zu lassen. Dann kann auch das entschlossene Vorpreschen einer relativ kleinen Gruppe (wie 1917 der Bolschewiki) großen Menschenmassen Hoffnung auf eine bessere Persepktive geben und sie mitreißen. Dass die Revolution nachher womöglich ihre Kinder frisst, daran kann und will im Moment des Aufstandes niemand denken. Denn die treibenden und alles dominierenden Kräfte des Handelns sind im revolutionären Augenblick der Wille, das Unerträgliche abzuschütteln, sowie das Prinzip Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Kurzum: Fast alle bisherigen Revolutionen kamen, weil sie kommen mussten – ob antike Sklavenerhebungen, mittelalterliche Bauernaufstände, antikoloniale Befreiungskriege, bürgerliche Revolutionen im 18./19. Jahrhundert, „sozialistische“ im 20. Jahrhundert oder „antisozialistische“ ab dessen Spätphase. Wer von heute aus auf die Oktoberrevolution schaut, sollte bei deren Beurteilung auch jener Revolution eingedenk sein, die als Mutter bürgerlichen Rechts, bürgerlicher Freiheiten, bürgerlicher Demokratie gilt: die Französische Revolution von 1789 – mit all ihren grausigen Begleiterscheinungen.

Andreas Pecht

Andreas Pecht

Kulturjournalist i.R.

Archiv chronologisch

Archiv thematisch