Portrait Andreas Pecht

Andreas Pecht – Kulturjournalist i.R.

Analysen, Berichte, Essays, Kolumnen, Kommentare, Kritiken, Reportagen – zu Kultur, Politik und Geistesleben

Nieder mit den Call-Centern!

ape. Kennt irgendwer irgendjemanden bei dem irgendeine Umstellung der Telekommunikations-Technik problemlos ablief? Vertragsänderung, Anbieterwechsel, Anschlussumstellung, Umstieg auf neue Hard-/Software oder Netztechnik…: Ich jedenfalls weiß von keinem, bei dem das so schnuckelig einfach und auf Anhieb funktioniert hätte wie von den Anbietern versprochen. Vielmehr könnte ich auf Basis der Erfahrungsschilderungen allein aus dem nahen Bekanntenkreis ein mehrbändiges Kompendium mit absurdesten aber wahren Geschichten füllen.

Drei aktuelle Beispiele. Da legt sich ein Kollege das neueste Smartphone eines hippen Obstkonzerns zu. Das Ding funktioniert die ersten zwei Wochen meist gar nicht und wenn doch, dann nicht so wie angepriesen. Es bedarf über Tage jeweils stundenlanger Mühen, um mittels peu à peu nachgereichter Updates und mit Hilfe technisch versierter Freunde ein paar Grundfunktionen nutzbar zu machen. Zweiter Fall: Ein in Koblenz wohnender Bekannter will seinen Anschluss beim größten Telefon-/Internet-Anbieter Deutschlands auf die neueste Netztechnik umstellen lassen. „Kein Problem” sagt die nette Dame im Call-Center des Anbieters. Doch obwohl dessen Techniker bald sogar leibhaftig im Hause herumwuseln, muss mein Bekannter nachher einen eigenen Spezialisten engagieren, damit der das versprochene „Kein Problem” so zurechtfriemelt, dass man wieder telefonieren und surfen kann.

Dritter Fall (hier nur die Kurzform eines mehrwöchigen Irrsinns). Junger Mann will von Rheinhessen aus im Haus seines Opas im Odenwald den uralten Analog-Anschluss internettauglich machen lassen. Von der Erstberatung bis zur Terminvereinbarung für den Technikerbesuch hat der Enkel im Call-Center des größten deutschen Telefon-/Internetanbieters bereits drei Stunden mit Warteschleifen-Meditation verbracht, fünf verschiedene Mitarbeiter gesprochen und von jedem gesagt bekommen: „Kein Problem”. Fünf mal hatte er auch ausdrücklich vereinbart, dass die Abwicklung über ihn läuft, damit ja der alte Mann nicht beunruhigt werde. Fünf mal die Antwort: „Selbstverständlich, machen wir”. Ergebnis: Ein sechster Mitarbeiter ruft wen an? Den 91-Jährigen – und versetzt ihn in lebensgefährliche Aufregung mit der Nachricht, dass das mit dem Telefon nicht klappe, weil das bestellte Produkt bei ihm gar nicht schaltbar sei.

Es folgen nun etliche weniger freundliche Kontakte zwischen Enkel und Call-Center – jedesmal wieder 10 bis 40 Minuten in der Warteschleife und jedesmal wieder andere Namenlose an der Strippe, denen erneut der ganze Fall erklärt werden muss. „Dann stornieren wir ihre Bestellung und melden uns, sobald wir ein geeignetes Produkt gefunden haben”, sagt schließlich das Call-Center. „Einverstanden”, sagt der Enkel, „aber stellt dem alten Mann bloß nicht das Telefon ab.” Ergebnis: Der Anbieter storniert die von ihm selbst nicht erfüllbare Bestellung – und legt dem Greis zugleich den Telefonanschluss still. Der wütende Enkel landet daraufhin beim Deeskalations-Team des Konzerns. Dort wird ihm beschieden: „Was wollen sie eigentlich, SIE haben den Auftrag doch storniert.”

Einzelfälle? Ach was, System. Weshalb Freund Walter fordert: „Call-Center verbieten! Dafür die Konzernbagage per Gesetz zum Prinzip des persönlichen Kunden-Sachbearbeiters zwingen, der für die gesamte Auftragsabwicklung verantwortlich ist. Da könnte man zwar auch an einen Deppen geraten, aber man wüsste wenigstens, wer der Depp ist.”

(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website 44. Woche im Oktober 2014)

Andreas Pecht

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