Das "kleine" Deutschland ist so klein gar nicht

Ein Beitrag zur Klimadiskussion

ape. „Das kleine Deutschland will allein die Welt vor dem Klimawandel retten. Lachhaft. Das Land trägt ohnehin kaum 2 Prozent zum weltweiten CO2-Ausstoß bei. Selbst wenn wir die unter größten Opfern auf 0 reduzieren würden, täte das gar nichts helfen.“ U.a. mit dieser Argumentation wird in der hiesigen Klimadiskussion immer wieder versucht, Forderungen nach einer ökologischen Wende und durchgreifendem Klimaschutz lächerlich zu machen oder ad absurdum zu führen. Die Argumentation ist allerdings falsch bzw. irreführend. Weil …

1. Deutschland mag ein „kleines“ Land sein, zugleich ist es aber eine der „größten“ Industrienationen auf dem Planeten und langjähriger Exportweltmeister. Berechnete man den CO2-Ausstoß aller in Deutschland und/oder von deutschen Unternehmen produzierten und in alle Welt verkauften Automobile nebst anderen Verbrennungsanlagen, aus besagten 2 Prozent würde schnell eine zweistellige Zahl. Hätten Teile der deutschen Industrie, vorneweg die Autoindustrie, die Zeichen der Zeit nicht verschlafen, sie könnte längst Exportweltmeister alternativer Mobilitäts-, Energieerzeugungs- und Energieeinsparungstechniken sein, statt die Welt anhaltend mit klimaschädlicher Technik zu überschwemmen.

2. Das vermeintlich kleine Deutschland ist eine der ältesten großen Industrienationen auf der Welt. Es hat gegenüber sämtlichen Schwellenstaaten und Entwicklungsländern rund 200 Jahre Vorsprung beim Anreichern der Atmosphäre und der irdischen CO2-Senken mit dem Klimagas. In summa ist der deutsche Beitrag zur inzwischen eingetretenen globalen CO2-Überfüllung also gewaltig. Diese Erblast verpflichtet heute zu besonderen Anstrengungen.

3. Es ist irreführend, den Eindruck vermitteln zu wollen, Deutschland laufe mit seinen Klimaschutz-Ansätzen dem Rest der Welt einsam und allein weit voraus. In vielen Bereichen ist eher das Gegenteil der Fall. So sind etwa die skandinavischen Länder auf fast allen Ebenen des ökologischen Umbaus ihrer Gesellschaften wesentlich weiter. In vielen Teilbereichen laufen umweltgerechte Anstrengungen und Umbauten in der Schweiz, in Österreich, in den baltischen Staaten, in Kanada, Neuseeland, in etlichen US-Bundesstaaten etc. Deutschland längst den Rang ab. Selbst in der einen oder anderen Ecke Afrikas ist man weiter als hierzulande (zB radikales Platiktütenverbot in Tansania). Und auf einem Feld ist Deutschland sogar weltweites Schlusslicht: beim klimaschonenden Tempolimit. Wir sind also in sachen Klimaschutz weder allein noch weit voraus.

4. Die Argumentation vom „kleinen Deutschland“ folgt für den Weltmaßstab dem St. Floriansprinzip, das auch in der innerdeutschen Klimadiskussion ständig bemüht wird: Jeder CO2-Verursacher (zB die Flugwirtschaft) pocht darauf, dass sein Beitrag zur Summe des hiesigen CO2-Ausstoßes doch vergleichsweise nur sehr klein sei – im Verhältnis zur wirtschaftlichen und lebensartlichen Wichtigkeit geradezu marginal. Verkannt wird dabei: Es gibt nicht den einen Königsweg zum Klimaschutz und nicht den einen Hauptverursacher des Klimawandels. Demgemäß ist Klimaschutz eine Angelegenheit, bei der hier daheim wie letztlich auch im Weltmaßstab an ALLEN Schrauben und Schräubchen gehörig gedreht werden muss.

5. Jeder inländischen Kritik an bundesdeutschen Verhältnissen wurde von interessierten Seiten seit jeher entgegengehalten: So schlimm könne es nicht sein, da doch viele Länder und zahllose Menschen auf der Welt die Bundesrepublik Deutschland als erstrebenswertes Modell ansehen. In der Tat versuchen viele Länder und Bevölkerungen seit Jahrzehnten zu Lebensart und Lebensstandard der westlichen Industrienationen aufzuschließen. Inzwischen wird, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Klimawandels, allerdings offenkundig, dass dieser Weg auch und gerade die Schwellen- und Entwicklungsländer in eine Sackgasse führen dürfte. Weshalb es nun vor allem den industriell am weitesten entwickelten Ländern aufgegeben ist, daraus einen Ausweg zu finden. Auf dass ein neues, ein ökologisches Modell entstehe, das demonstriert: Es geht auch anders. Andreas Pecht

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