Die Frau - ein starkes Geschlecht seit jeher

Irrtümer eines männlichen Geschichtsbildes

ape. Als Jäger war der Mann der Haupternährer. Als "Nestbauerin" versorgte die Frau Heim, Herd, Kinder – so lautete die tradierte Vorstellung, wie Menschen seit der Steinzeit gelebt haben. Jüngere und jüngste Forschungen aus Archäologie und Anthropologie beweisen indes: Diese Rollenbilder hat es so in der Steinzeit weder beim Homo sapiens noch vermutlich bei seiner Geschwisterspezies der Neandertaler gegeben.

Bewiesen wurde aktuell etwa, dass die steinzeitlichen Höhlenmalerein in Südfrankreich nicht nur - wie bisher angenommen - von Männern (Jägern) angefertigt wurden. Dieser und manch anderer Anhaltspunkt legen nahe: Frauen nahmen an den Jagden teil. Was nach jüngeren Knochenuntersuchungen auch nicht verwundert: Frauen der Steinzeit könnten Hochleistungsportlerinnen der Gegenwart an Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer locker in den Schatten stellen. Fast alle modernen Forschungen führen zu dem Ergebnis: Die steinzeitlichen Lebensgemeinschaften (10 bis 25 Personen) waren nicht patriarchalisch, sondern egalitär organisiert.

Andere Annahmen früherer Wissenschaftsgenerationen beruhen großenteils auf unhinterfragten Grundüberzeugungen der männlich dominierten Fakultäten (Jäger, Krieger, Künstler, Führer = starker Mann; Mutter, Sammler, Kindsversorger, Herdhüter = schwächere Frau). Zu welchen Absurditäten diese Grundannahmen/Vorurteile führten, zeigt ein Beispiel aus der Wikinger-Zeit: Eines der am reichsten mit Waffen und Anführerinsignien ausgestattetes Wikinger-Grab bei Birka (Schweden) wurde seit seiner Entdeckung und über Jahrzehnte ganz selbstverständlich als Grabstätte eines bedeutenden Kriegers/Heerführers betrachtet. Unlängst aber hat die genetische Untersuchung der Überreste des darin bestatteten Leichnams ergeben: das war in Wahrheit eine Frau.

Ähnliche Befunde gibt es mittlerweile auch von anderen Gräbern, weshalb das so lange gepflegte Bild von der streng patriarchalischen Wikingergesellschaft neu überdacht werden muss. Vergleichbares gilt auch für andere historische Kulturen. Möglicherweise müssen auch die Frauenfiguren vom Typ Gönnersdorf aus der späteiszeitlichen Epoche neu bewertet werden. Bislang ging man davon aus, dass diese aus Mammutelfenbein geschnitzten oder in Schieferplatten geritzte hoch-ästhetische Frauendarstellungen von (schmachtenden, bewundernden, werbenden) Männern hergestellt wurden. Tatsächlich kann aber niemand ausschließen, dass es sich hier um weibliche Selbstbildnisse handeln könnte. 

Die Wissenschaft stellt heute Zug um Zug fest, dass die reine Männerwissenschaft des 19. und frühen 20. Jahrhunderts mit ihrem Frauenbild den Blick auf die archäologischen Befunde trübte und vielfach einseitig auf Männerdominanz verengte Befundinterpretationen hervorbrachte. Ähnliches konstatierte indirekt auch schon Friedrich Engels in seiner 1884 erschienenen Schrift "Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates". Darin erhellt er u.a., dass sehr viele der frühen oder noch im "präzivilisatorischen" Stadium befindlichen Kulturen egalitär oder matriarchalisch organisiert waren/sind. Er kommt zu diesem Ergebnis auch, weil er seine Aufmerksamkeit auf eben jene anthropologischen Fakten richtet, die von der Anthropologie seiner Zeit als belanglos abgetan oder missachtet wurden.

Es könnte gut sein - und wäre zu wünschen -, dass alsbald auch die noch immer stillschweigend festsitzende Annahme genauerer Prüfung unterzogen wird, wonach die kleinen steinzeitlichen Jäger-und-Sammler-Gruppen im Kern aus Kleinfamilien heutigen Musters, also Vater/Mutter/Kindern, bestünden. Dafür spricht nämlich nach archäologischer Befundlage herzlich wenig.  

TV-Tip: Hochinteressant und weiterführend in diesem Themenfeld eine gestern auf arte ausgestrahle Wissenschaftssendung unter dem Titel "Geschlechterkonflikt - Frauenbilder der Geschichte" > Hier in der Mediathek

Andreas Pecht

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