Klimawandel? Läuft.

Quergedanken Nr. 163

ape. Inzwischen ist auch Freund Walter aus dem Urlaub zurück. Statt auf Korsika, war er in Portugal gelandet. Solche Richtungsänderungen kommen bei seiner Art Abenteuerreiserei vor. Dort jedoch hing er dann bei selbst für die iberische Halbinsel ungewöhnlichen 45 Hitzegraden fest – „bewegungsunfähig vor mich hin hechelnd“. So erzählt er, berichtet von vertrocknetem Land, Bränden, geplagten Portugalesen und fast bis zur Leblosigkeit trägen Urlaubern.

Kennen wir, hier daheim war‘s nicht viel anders. Wochenlang 30 bis nahezu 40 Hitzegrade, fast kein Regen; und wenn doch mal, dann lokal einige Minuten sinnloses Katastrophengeplatsche. Wiesen beigebraun, Wälder im Trockenstress, Äcker staubig, das Getreide mickrig. Die Rindviecher fressen den Futtervorrat für den nächsten Winter oder werden notgeschlachtet. Die Produktivität in Fabriken und Büros sinkt drastisch; derweil steigen mitten im Hochsommer Energieverbrauch und Krankenstände infolge Masseneinsatzes raumkühlender Klimaanlagen.

Ja, ja, ich weiß, gerade die Älteren unter uns haben allerhand extreme Wetterlagen und -ereignisse während ihrer 50 oder mehr Lebensjahre schon einmal oder wiederholt mitgemacht. Doch deren Häufung, Verschärfung und Verwandlung in schiere Normalität binnen nur einer Halbgeneration ist gefühlt und  wissenschaftlich signifikant. Wenn obendrein die Wetterfrösche heuer vermelden, die Hitzeglocke reiche bis ins hinterste Sibirien, selbst oberhalb des nördlichen Polarkreises zeige das Thermometer noch 33 Grad, dann geht das alles weit über die altgewohnte gelegentliche Cholerik der Wettergötter hinaus.

Interessiert das jemanden? Interessiert irgendjemanden, dass die Wirkungen des selbstgemachten Klimawandels nicht erst unsere Kindeskinder in 100 Jahren drangsalieren werden? Dass die Frühstadien, viel schneller als gedacht, uns schon heute spürbar bis schmerzhaft auf die Füße fallen? Dem gesprochenen und geschriebenen Geschwätz nach scheint das jeden zu beunruhigen, den Taten nach allerdings nur wenige. Das Gegenlenken erschöpft sich, angesichts der Dimension des eigentlich Nötigen, im Kleinklein und ertrinkt im Business as usual, im besinnungslosen Tanz um das goldene Wachstumskalb. Die jetzigen Generationen Erwachsener werden in die Geschichtsbücher eingehen als die Generationen der Beschwörungsformel „Wir können noch umsteuern“ bei gleichzeitiger Wildentschlossenheit zur Beibehaltung ihrer gewohnten Lebensart.

PKW und LKW werden immer mehr und größer. Geräte, Kleidung, Möbel und Co. werden immer kurzlebiger. Das Konsumrad dreht sich immer schneller. Folglich steigt und steigt Ressourcenverbrauch/-verschmutzung selbst an Luft, Wasser, Naturlandschaft - global sowieso, doch  auch regional. Jede halbherzige Klima-/Umweltschutzmaßnahme wird vom Wachstum alsbald  ausgehebelt.

„Ruhig, Alter, ruhig, du kommst in Rage“, brummt Walter. Ach, ist doch wahr: Die Ozeane ersticken in Milliarden Tonnen Plastik, wir aber feiern schon die Ankündigung der Abschaffung von Plastiktrinkhalmen als großen Sieg für die Umwelt. Derweil bringt in den Supermärkten der Verpackungswahn eine Absurdität auf die andere hervor. Und wenn der freien Welt Führungsmacht auch die Befindlichkeit irdischer Umwelt am Arsch vorbeigeht, so kümmert sie sich immerhin ums übrige Universum: Sie stellt eine Weltraumarmee auf. Mit Verlaub, der Homo sapiens hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.

Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website 34./35. Woche im August 2018

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