Laudatio auf Olaf Theisen

Anlässlich der Verleihung des Koblenzer Kulturpreises am 12. November 2017 im Theater der Stadt

(Spontanprolog, nachprotokolliert)

Obwohl seit fast 30 Jahren Stammgast in diesem Haus – mal mehr, mal weniger herzlich willkommen – fühle ich mich hier oben auf der Bühne doch ziemlich deplatziert. Was soll auch ein Kritiker auf der Theaterbühne? Da ist er ja zu nix nutze. Aber besondere Anlässe bedürfen halt besonderer Maßnahmen.
Nun denn: Ans Werk!

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Hoch geschätzter Doktor Olaf Theisen,
werte Honoratioren von Amts wegen, Alters wegen
und/oder Verdienste halber,
sehr geehrte Damen und Herrn,
liebe Kulturfreundinnen und -freunde

Es ist in deutschen Landen eher ungewöhnlich, dass ein Konzertkritiker die Laudatio auf einen Konzertveranstalter hält. Aber das passt zu Koblenz, wo bekanntermaßen manches ungewöhnlich ist. So im heutigen Fall etwa der Umstand, dass der zu ehrende Konzertveranstalter zugleich eine fast 210-jährige örtliche Kulturtradition auf seinen Schultern trägt und Garant sein soll für deren Fortschreibung in die Zukunft.

Ungewöhnlich ist ebenso, dass mir niemand gesagt hat, wie lange ich hier heute reden kann, soll, darf. Ich habe auch keinen gefragt. Deshalb: Lehnen Sie sich zurück, machen Sie sich‘s behaglich auf den über viele Jahre wunderbar eingesessenen Sitzen dieses Theaters. Es könnt‘ nämlich etwas länger dauern.
(Info für Ortsunkundige: Die Sitze sind völlig durch und wahre Kreuzbrecher. ape)

Und noch eines: An dem, was nun über Sie hereinbricht, bin ICH völlig unschuldig. Beschweren Sie sich nachher beim Preisträger: ER hat sich diesen Laudator gewünscht.

Meine Damen und Herrn,

selbst für hiesige Verhältnisse ist es allerdings ungewöhnlich, dass der Kulturpreis der Stadt einem blutjungen Mittfünfziger zugesprochen wird, der sein verdienstvolles Kulturamt als Intendant des Musik-Instituts seit gerade mal sieben Jahren bekleidet. Geht man die Liste der bisherigen Preisträger durch, ist rasch erkennbar: Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wurde dieser Preis überwiegend für Jahrzehnte währendes künstlerisches Schaffen und/oder kulturelles Engagement vergeben. In der Regel handelt es sich also um eine Art Würdigung kultureller Lebenswerke.

Kein Wunder, dass Olaf Theisen – wie er mir neulich erzählt hat – nicht schlecht staunte, als er bei der Rückfahrt von Mainz nach Koblenz plötzlich den hiesigen Oberbürgermeister am Autotelefon hatte UND der ihn fragte: Ob er (Theisen) geneigt wäre, den Koblenzer Kulturpreis anzunehmen. Denn dieser sei ihm in parteiübergreifender Einhelligkeit zugesprochen worden.

Der von da an designierte Preisträger kam glücklicherweise trotz einiger Irritation wohlbehalten daheim an. Wieso Irritation?, ließe sich fragen. Nun ja, Olaf Theisen hatte nicht im Entferntesten an diese Ehrung gedacht. UND:  Ein Teil seines Gehirns unkte da auch: „Bin ich denn schon so alt, dass mir bereits ein Lebenswerkpreis zufallen kann?“ Nein, lieber Herr Theisen, das gewiss nicht. Als 1963 in Koblenz geborener, mithin echter, Schängel, zählen Sie zwar –  Gott sei Dank – nicht zur jüngsten Generation innerhalb der Musik-Instituts-Klientel, aber doch noch zur jüngeren.

Und was die bisher „NUR“ siebenjährige Verantwortung für die Geschicke dieser Institution angeht: Manch einer Ihrer früheren, ja sogar frühesten Vorgänger im Intendanten-Amt hatte in vielen Amtsjahren mehr keine solch zeitgleich geballten Herausforderungen zu bewältigen wie Sie in Ihren ersten drei Spielzeiten.

Einige hier im Saal wissen, dass ich seit Monaten an einem Büchlein über die Geschichte des Koblenzer Musik-Instituts schreibe. Deshalb kann ich sagen: Es ist heute fast kein Umstand vorstellbar, den das Musik-Institut in seinen jetzt 210 Jahren nicht schon einmal oder wiederholt erlebt hätte.
> Krisen im eigenen Chor bis hin zu dessen schierer Auflösung. Spannungen bis manchmal hin zum Zerwürfnis zwischen Musik-Institut und staatlicher Herrschaft, sei sie von französischer, preußischer, nationalsozialistischer, amerikanischer oder bundesrepublikanischer Art. Existenzgefährdende Finanznot. Mangel an Konzertstätten infolge Kriegszerstörung, Besetzung oder Bautätigkeit. Notprogramme unter schwierigsten Bedingungen oder gar erzwungenermaßen die vorübergehende Einstellung der Konzerte.

Dies alles und noch viel mehr hat das Musik-Institut seit seiner Gründung am 7. April 1808 als bürgerschaftliche Initiative durch Joseph Andreas Anschuez nicht nur einmal durchmachen müssen. SELTEN jedoch kamen derart viele schwierige Aspekte auf einen Schlag zusammen wie zu Beginn der Intendanz von Olaf Theisen anno 2010. Am 9. Juni wurde er als Nachfolger von Rolf Wegeler ins Amt gewählt. Einen Monat zuvor war Joachim Hofmann-Göttig neuer Oberbürgermeister von Koblenz geworden. Damit saß nicht nur auf dem Intendantenstuhl ein Neuling, sondern übernahm ein weiterer Neuling auch den Vorstandsvorsitz des Musik-Instituts.
(Info: Seit Anschuez‘ Zeit und der ersten MI-Satzung ist der Oberbürgermeister der Stadt automatisch von Amts wegen Vorsitzender des Musik-Instituts.)

Zeitgleich entwickelte sich im MI-Chor eine veritable Krise um dessen erst wenige Monate zuvor engagierten neuen Chorleiter. Wiederum zeitgleich stand das Musik-Institut vor der seit einem halben Jahrhundert nicht mehr erlebten Problemlage, dass es sich für seine Anrechtskonzerte eine Ausweichspielstätte suchen musste. Denn das angestammte Domizil dieser Konzerte, die Rhein-Mosel-Halle, stand wegen Generalumbaus für die Saison 2010/11 nicht zur Verfügung.

Die Verlegung des Konzertbetriebs von der Rhein-Mosel-Halle in die Sporthalle ist für eine Institution wie das Musik-Institut keineswegs bloß ein profaner Raumwechsel. Denn die Gewohnheiten jahrzehntelang treuer und vielfach betagter Abonnenten wurzeln tief und wiegen schwer. Würden die Abonnenten überhaupt mitkommen an den anderen, den ungewohnten Ort? Das war eine der bangsten Fragen für den MI-Vorstand. Denn die enge Bindung eines großen, langfristig, teils von einer Generation zur nächsten treuen Kernpublikums war und ist noch immer tragende Säule des Musik-Instituts.

Zudem ist die Sporthalle eben eine Sporthalle – und ein Albtraum für jeden Klassikakustiker. Es musste sehr viel Geld in die Hand genommen werden, um mit modernster Klangtechnologie ein den hohen Ansprüchen des Musik-Instituts angemessene Hörqualität zu garantieren. Und es war ein weiterer opulenter Sonderbatzen Geld aufzubringen, um die schließlich sechs, statt der üblichen zehn, Anrechtskonzerte derart attraktiv zu besetzen, dass Abonnenten und andere Klassikfreunde sich auf den Weg in die Sporthalle machen.

Die Sache ging bekanntlich gut aus. Dank zahlreicher Helfer, Unterstützer, Fürsprecher und des spielfreudigen Engagements der Rheinischen Philharmonie mit ihrem damaligen Chefdirigenten Daniel Raiskin. Dank vor allem aber zweier Männer, die damals ebenso ruhig und zielstrebig wie entschlossen zupackend und durchsetzungstark ins Werk setzten, was sie für notwendig und richtig hielten.

Der eine Mann war der frischgebackene MI-Intendant Olaf Theisen – der hier eine FEUERTAUFE bestehen musste, die sich gewaschen hatte. Da war der Part des Geldauftreibens für die teure Sondersaison noch eine der leichteren Aufgaben: Theisen gewann seinen Gesellschafterkollegen bei der Rhein-Zeitung, Walterpeter Twer, dafür, dass der Mittelrhein-Verlag mit einem kräftigen Sponsoring in die Sache einstieg.

Der andere Mann, der sich an der Seite des Intendanten unermüdlich für das Gelingen der Notspielzeit einsetzte, war der über mehr als vier Jahrzehnte ununterbrochen rührige „Gute Geist“ des Musik-Instituts: Bernhard Riebling.

Als diesen beiden und etlichen anderen angesichts einer geglückten Konzertsaison in der Sporthalle Oberwerth gerade Steine vom Herzen fielen, kündigte Anfang August 2011 die Stadt Koblenz völlig unerwartet sämtliche Mietverträge mit dem Musik-Institut für die Rhein-Mosel-Halle in der Folgespielzeit 2011/2012. Hintergrund war: der Generalumbau der Halle konnte nicht im geplanten Zeitrahmen vollendet werden.

Eine Katastrophe für das Musik-Institut! Denn mit einem Schlag wurden alle lange im Vorfeld geschlossenen Künstlerverträge und sämtliche Saisonplanungen hinfällig. Eine zweite Sporthallensaison zu stemmen, war die Vorlaufzeit zu kurz, wären wohl auch die Kräfte zu erschöpft gewesen.

In jenen Tagen konnte man das sonst fast stoische Ruhe ausstrahlende Duo Theisen/Riebling mit tief zerfurchten Stirnen oder auch schäumend von Empörung und Enttäuschung antreffen. Notgedrungen und nach schwerem Ringen entschied sich das Musik-Institut schließlich, diese Konzertsaison ganz abzublasen.

Meine Damen und Herrn,

wenn man sich jene Situation vor dem Hintergrund der langen Geschichte des Musik-Instituts vorstellt, gewinnt man vielleicht noch einen ganz anderen Begriff von dem Druck, der im Sommer 2011 auf den beiden lastete: Seit Gründung 1808 hatte es überhaupt nur drei Spielzeiten gegeben, in denen das Musik-Institut gar keine eigenen Konzerte veranstaltet hatte. Nun musste Olaf Theisen just in seinem zweiten Jahr als Intendant in diesen sauren Apfel beißen.

Es war nicht schön! Und noch weniger schön war, dass auch über der dann folgenden Spielzeit 2012/2013 bis kurz vor Beginn das Damoklesschwert des Nichtstattfindenkönnens hing. Die Fertigstellung der Rhein-Mosel-Halle verzögerte sich ein ums andere Mal. Bei Olaf Theisen lagen die Nerven blank. Denn wieder waren alle Verträge geschlossen, standen Orchester und Solisten parat – DOCH das Musik-Institut konnte weder Saisonprogramme und Einladungen zum Abonnement verschicken, noch mit dem Vorverkauf beginnen.

Erst Mitte August 2012 gibt der Oberbürgermeister die befreiende Nachricht durch, dass die Saison in der Rhein-Mosel-Halle stattfinden könne und also der Kartenvorverkauf für das erste Anrechtskonzert im September nun starten dürfe.

In derselben Nacht beginnt im Privathaus Theisen ein geschäftiges Rumoren – wie in einer Wohngemeinschaft studentischer Aktivisten in den wilden 68ern. Zumindest stelle ich mir jene Stunden im Spätsommer  2012 immer so vor. Hemdsärmelig eilen Intendant, MI-Vorständler und Helfer um Tische herum, tüten Hunderte von Programmen und Abnonnementseinladungen ein, adressieren Umschläge, tragen sie kistenweise zum Auto und fahren in denkbarster Frühstunde zur Post.

So ähnlich war es wohl auch. Denn es galt, viel verlorene Zeit einzuholen – um den Betrieb der ältesten und einer der publikumsstärksten Konzertreihen im deutschen Südwesten wieder in geordnete Bahnen zu bringen. Das ist dann auch, mit zupackender Initiative und unter engagierter Anleitung von Theisen im Gespann mit Riebling gelungen.
!!!Allein schon der bemerkenswerte Einsatz, das Musik-Institut unbeschadet durch diese drei so schwierigen Jahre zu bringen, rechtfertigt die Auszeichnung mit dem Kulturpreis.  

Lassen Sie mich, meine Damen und Herrn, noch einmal zurückkommen auf jenen Moment, da Herr Theisen am Autotelefon erfährt, dass ihm der Preis zugesprochen wurde.        

Natürlich hat er sich gefreut über den Juryentscheid. Doch sogleich bezog er ihn weniger auf seine Person, mehr auf das Musik-Institut als Ganzes und dessen anhaltend große Bedeutung für das Kulturleben in Koblenz.

Diese Art der persönlichen Zurückhaltung ist typisch für Olaf Theisen –  glaube ich. Denn wir kennen uns im direkten Umgang noch gar nicht so lange. Eben erst jene sieben Jahre, da er als Intendant des Instituts mit mir als Kulturjournalist zu tun hat. Zuvor hatte ich allenfalls von ihm gehört: als Mitgesellschafter der Rhein-Zeitung und Geschäftsführendem Gesellschafter eines Mainzer Medienunternehmens.

Als wir uns dann regelmäßig am Rande der Anrechtskonzerte, später auch zu einigen anderen Anlässen trafen und miteinander plauderten, fielen mir an diesem Manne bald zwei Dinge auf. Erstens: Olaf Theisen würde wohl nie einem ordentlichen Konzertkritiker qua Stellungsmacht in die Parade fahren; selbst dann nicht, wenn er dessen Urteil über eines der Anrechtskonzerte partout nicht teilen könnte. Er würde niemals auf Gefälligkeitskritiken insistieren.

So hat es bereits sein hoch geschätzter Vorgänger gehalten. Rolf Wegeler, ebenfalls Koblenzer Kulturpreisträger, hatte mich im Nachinein schonmal ein bisschen angeknurrt, etwa mit der mir gut erinnerlichen Bemerkung: „Aber Herr Pecht, wo hatten sie denn beim letzten Konzert ihre Ohren?“ Doch auch Wegeler hat nie die Autonomie und Integrität des Kritikers in Zweifel gezogen.

Sein Nachfolger knurrt in solchen Fällen nicht – zumindest nicht vernehmlich. Er will vielmehr verstehen, will diskutieren wie und warum man zu einem womöglich ganz anderen Urteil über ein Konzert gelangt ist als er selbst. Theisen ist neugierig, etwa darauf wie ein Musikereignis auf welchen Zuhörer wirkt. Für ihn ist, so mein Eindruck, ein Konzert nicht nur ästhetischer Genuss, sondern ebenso Teil eines lustvollen Lernprozesses; ist nicht zuletzt Bestandteil eines permanenten Diskurses über das Wesen der Musik und ihre so wichtige Funktion für das Leben.

Womit wir bei der zweiten Eigenschaft wären, die mir beim Kennenlernen des Olaf Theisen ins Auge fiel: Er hat nicht nur ein großes Herz für die Musik, sondern auch ziemlich viel Ahnung davon. Dies nicht zuletzt auf dem Feld der neueren und zeitgenössischen Musik – jener Avantgarde von Rang, deren Vermittlung ans breite Publikum allweil so schwierig sein kann. Darin finden wir übrigens eine Komponente, die den heutigen Intendanten des Musik-Instituts mit dessen Gründer verbindet.

Joseph Andreas Anschuez war in erster Linie ein Mozart-Anbeter, Händel- und Haydn-Verehrer.  Gleichwohl war er in hohem Maße interessiert am, wie er es nannte: „Gediegenen der neuen Zeit“. Weshalb er dem Musik-Institut schon früh die Pflicht auferlegte, in Koblenz stets auch Werke noch lebender Komponisten aufzuführen, und zwar möglichst zeitnah zu deren Erstaufführungen irgendwo in den Metropolen der großen Musikwelt.

Diesem Grundsatz blieben nachfolgend viele Intendanten und Musikdirektoren des Instituts treu – mag auch der eine oder andere Zuhörer bisweilen gemurrt haben über die allzu neumodischen Klänge eines Beethoven, Brahms, Mendelssohn Bartholdy, Wagner, Mahler, Bruckner, Debussy, Schostakowitsch, Schönberg etc. etc.; je nach Zeit.

Die von Anschuez begründete Tradition, regelmäßig auch Werke noch lebender Komponisten aufzuführen, wurde das 19. Jahrhundert hindurch beim Musik-Institut meist eifrig gepflegt, geriet im Laufe des 20. dann allmählich ins Hintertreffen. Jetzt, im frühen 21. Jahrhundert denkt Olaf Theisen –  wie auch das Leitungsduo der Rheinischen Philharmonie, Garry Walker und Günter Müller-Rogalla – zurecht darüber nach: Wie ließe sich jene Tradition nicht zuletzt im Hinblick auf die Gewinnung jüngerer Publikumsschichten reaktivieren, ohne den konservativeren Teil des älteren Publikums zu verschrecken.

Das wird eine schwierige Gratwanderung, ist aber eine unausweichliche Herausforderung. Und m.E. ist Olaf Theisen der richtige Mann, sie mit dem nötigen Fingerspitzengefühl anzugehen.

Meine Damen und Herrn,

als ich vor einiger Zeit bei einem Arbeitsgespräch über das MI-Buch im Theisen‘schen Wohnzimmer einen wunderbaren Steinway-Flügel stehen sah, setzte sich in meinem Hinterkopf die Vorstellung fest: Dieser in Sachen Musik so kenntnisreiche Mensch ist gewiss auch ein praktizierender Freizeitmusiker. Das war allerdings ein Fehlschluss. Wie mir der Preisträger jüngst selbst sagte, sind die eigentlichen Musici in der Familie seine Geschwister. Die Schwester hochtalentiert auf dem Klavier, der Bruder nicht minder begabt auf der Querflöte. Und der Obermusicus war natürlich der Vater – der, wie Sie wissen, dem Musik-Institut von 1969 bis zu seinem Tode 1993  24 Jahre lang ebenfalls als Intendant gedient hatte. Dieser Werner Theisen war ein ambitionierter und, wie die Alten berichten, durchaus versierter Geiger. Er machte das Familiendomizil auf der Karthause mit Freunden im Trio oder Quartett öfter zum Musiksalon – sehr zum Verdruss des Hundes im Haus.

Nur der Olaf, der mochte als Bub nicht so recht dran ans praktische Musizieren – worüber er sich heute immer wieder mächtig ärgert. Ein paar Flötenstunden hier, ein bisschen Klavierüben dort, mehr war da nicht. Ihn zog es als Junge in ein ganz anderes Metier: den Sport. JUDO war seine Passion. Also, Obacht Herrschaften!: Der Herr Intendant kann auch handgreiflich. Wenn ich richtig orientiert bin, ist von jener sportiven Neigung ein Laster geblieben, das er mit Garry Walker, dem neuen Chefdirigenten der Rheinischen Philharmonie, teilt: Geschwindes Fahrradfahren über Strecken, die unsereinem unendlich weit erscheinen.

Da stellt sich natürlich die Frage: Was oder wer brachte den Sportsmann, studierten Juristen und nachher Verlagsaktivisten so nahe ans Musik-Institut heran, dass aus ihm 2010 dessen ehrenamtlicher Intendant werden konnte. Hier spielt nicht nur eine Rolle, dass im Hause Theisen viel vom Musik-Institut die Rede war und der Intendanten-Vater auch den Knaben Olaf zu manchem Konzert mitnahm.

Hier kommt als schließlich ausschlaggebender Faktor einmal mehr Bernhard Riebling ins Spiel –  der Basso continuo des Musik-Instituts 44 Jahre hindurch. Olaf Theisen kennt ihn seit Jugendtagen als schon vom Vater stets hochgeschätzten Mitstreiter. Und als MI-Geschäftsführer Riebling ihn 2008 – gewiss (*schmunzel*) ganz unschuldig und ohne jeden Hintergedanken  – fragte, ob er nicht mal an einer Vorstandssitzung  teilnehmen wolle, sagte der von Natur neugierige Theisen nicht Nein.

Bevor er sich versah, war er im Jahr darauf schon Mitglied des Vorstandes. Und es dauerte nur eine kleine Weile bis Riebling mit der Frage in der Tür stand: „Könnten Sie sich vorstellen, die Intendanz des Musik-Instituts zu übernehmen?“ Ein Schelm, wer da das Wirken eines strategisch lange vorausdenkenden Kopfes erkennt.

Meine sehr verehrten Damen und Herrn,

das Musik-Institut und das Koblenzer Musikleben haben dem stets leise, selbstlos, verlässlich und sehr effektiv im Hintergrund arbeitenden Bernhard Riebling unendlich viel zu verdanken.
(>> Vom Pult wegtreten, in Richtung Riebling verbeugen, Zeit für Beifall lassen <<)

Und Riebling haben wir eben auch den jetzigen MI-Intendanten zu verdanken – als den passenden Mann zur rechten Zeit am richtigen Platz. Und wiederum ein Schelm, wer deshalb in der Vergabe des Kulturpreises an Olaf Theisen vor allem den Appell sieht: Mach es weiter, und mach es noch lange!

Meine Damen und Herrn, mit Blick auf die Uhr will ich nun zu Ende kommen. Eine Sache allerdings liegt mir noch am Herzen. Als ich Anfangs der 1990er erstmals ein Anrechtskonzert des Musik-Instituts besuchte, schoss mir der Gedanke durch den Kopf: „Hier wird dir die Kritikerpflicht nicht allzu lange bleiben – denn dieses Publikum wird in ein paar Jahren einfach weggestorben sein.“ Ja, der Altersdurchschnitt lag erkennbar ziemlich hoch.

Nachher erinnerte ich mich dann an eine Begegnung mit Hannes Houska selig, dem früheren Hausherrn dieses Theaters. Der hatte mir folgendermaßen zugesprochen: „Ach w(o)as. A Schmäh. San‘s nur ruhig. Seit I am Theater bin, haßt‘s alle Joar: ‚De Zuseher sterbn weg‘. Un w(o)as iis? Ham ma etwa zug‘sperrt? Es kommen ollweil jingere Leit n(o)ach.“ Die Wahrheit sei, so Houska weiter: „Die Menschheit kann ohne Theater gar net sein.“

Ein Vierteljahrhundert später darf ich konstatieren: Der alte Houska hat recht behalten. Und was er fürs Theater sagte, gilt in gleicher Weise fürs Konzertleben: Die Menschheit kann ohne gute Livemusik nicht sein. Weshalb für ein INTERESSANTES Konzertangebot von HOHEN GRADEN immer wieder neues Publikum nachwachsen wird.

In diesem Sinne darf ich der Stadt Koblenz und ihren Bürgern zu diesem Kulturpreisträger gratulieren; darf Olaf Theisen und mit ihm das Musik-Institut zum verdienten Kulturpreis beglückwünschen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.  Jetzt könnt Ihr klatschen.

Andreas Pecht

Archiv-chronologisch: