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2010-03-06 Ballettkritik:

ballettmainz stellt seine neue Produktion "In48" vor


Momente intensiven Tanzes vor
allzu wuchtiger Klangkulisse


 
ape. Mainz.  Es sind oft nur Bruchteile von Figuren oder Passagen, die aus der aktuellen Produktion des ballettmainz einen Hingucker machen. Denn vor allem in der Mikrostruktur findet sich, was man von Pascal Touzeau und Compagnie seit ihrem Mainzer Beginn in der vergangenen Saison so sehr erhofft: Entwicklung.
 

„In48“ ist der zweistündige Uraufführungsabend betitelt. Dessen drei Teile heißen schlicht „In46“, „In47“, „In48“. Den Mittelteil choreografierte Jacopo Godani, die beiden Eckteile Touzeau selbst. Deren Bezeichnungen spielen auf die Einbettung in Musik des Komponisten-Duos „48nord“ an.

Ausgerechnet die Musik aber ist das Element, mit dem man sich diesmal am wenigsten anfreunden kann.  Mag sein, dass Klang und Tanz in einem gemeinsamen Arbeitsprozess der Tänzer mit den Komponisten entstanden sind. Vor Auge und Ohr des Zusehers allerdings lasten die elektronischen Endlos-Kollagen von Bombastrock bis Schepperkaskaden durchweg überlaut und wuchtig auf der sorgsam gearbeiteten Feingliedrigkeit des Tanzes.

Am ehesten zu ertragen ist das noch bei „In47“. Dort kann die Akustik als Soundtrack zu einer Art Krimiepisode durchgehen. Godani lässt fünf Frauen und einen Mann als, sagen wir mal, polizeiliches  Sonderkommando zu Karate und Kickboxing antreten. Asiatischer Kampfsport verbunden mit Ballett: Daraus wird eine schöne Studie über Körperbeherrschung, Impulskraft und Bewegungs-Timing, über die Dialektik von Aggressivität und Sinnlichkeit. Dass das Kampfballett in einschlägigen Effektszenen wie Nachtverfolgung, Giftgasalarm und mehrfaches Ableben der ganzen Gruppe eingebunden ist, sei nur am Rande erwähnt. Künstlerisch bedeutsam ist diese Komponente nicht.

Touzeau hingegen bietet pures Ballett in Fülle. Bei „In46“ geht es noch um den Versuch einer Verschmelzung von Ausdrucksformen der Klassik und Neoklassik mit den Forsythe'schen Brechungen und daraus ableitbarer Modernestilistik. Sieben Tänzer/innen ertasten und erproben Verbindungen zwischen den Stilen. Immer wieder entstehen dabei Momente von Zartheit, Verletzlichkeit, Hingabe, Verlorenheit –   Augenblicke, in denen das Miteinander der so unterschiedlichen Schulen zu erstaunlich intensiven Ergebnissen führt.

Im Schlussteil „In48“ lässt der Ballettchef dann kompromisslos das Spektrum der gebrochenen, versehrten, von klassischer Grazie befreiten Frankfurter Dynamik auffächern. Wenngleich bereits als Postneoklassik kanonisiert, ist der Forsythe-Stil aus den 80/90ern fürs Gros des hiesigen Publikums noch immer gewöhnungsbedürftig. In der diesmal reinen, von philosophischen Performance-Ambitionen unbeleckten, Ballettform offenbart er indes seinen ganz eigenen Reiz. Und über das ballettmainz lässt sich nun sagen: Es gibt in Rhein-Main wieder eine Compagnie, die diesen Stil beherrscht.                                                Andreas Pecht     

Infos: www.staatstheater-mainz.com

(Erstabdruck 30. Oktober 2010)



Artikel/Kritiken zu Touzeaus ballettmainz in der vorigen Spielzeit:

2010-07-06 Ballett:
Verhaltene Bilanz der ersten Saison beim "neuen" ballettmainz


2010-05-30 Ballettkritik:
"The Irin", Ballett von Pascal Toudezau in Mainz nur kryptischer Manierismus


2010-03-29a Anmerkung zu "Raymonda" in Mainz

2009-12-20 Ballettkritik:
ballettmainz mit "Rebound" auf dem Weg zum früheren William Forsythe


2009-10-11 Ballettkritik:
Erste Premiere von Pascal Touzeau als
Chef beim "neuen" ballettmainz



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Staatstheater Mainz, Tanz, ballettmainz, Godani, Touzeau, zweite Spielzeit, neue Produktion, "In48", Kritik

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