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2016-09-26 Musikwelt:

 

Gleich hinterm Deich
ein neues Blues-Domizil


Zehn Privatleute haben den Verein Neuwieder Bluesfreunde gegründet und sich einiges vorgenommen


ape. Neuwied.  Für einen Augenblick stelle man sich vor, es gäbe all die Menschen nicht, die sich aus freien Stücken und ohne Aussicht auf materiellen Gewinn in Sachen Kultur engagieren. Wie stünde es dann in Regionen, Städten, Dörfern ums Kulturleben? Schlecht. Keine Chöre, Musikvereine und Amateurtheater mehr; viele Buchausleihen geschlossen; ein erheblicher Teil der Konzertreihen perdu; mindestens die Hälfte unserer Festivals wäre niemals entstanden; die historische Heimatkunde und Kulturerbepflege vor allem auf dem Land läge darnieder ... Selbst die professionellen und staatlichen Kulturinstitutionen wären nicht, was sie sind, ohne ihre Freundeskreis-Vereine, privaten Unterstützer, Mitmacher und Sponsoren.



Die Moderne des Fernsehens, des Internets, der tausenderlei Kurzweilangebote wie auch der immer hektischer werdenden Arbeitspflichten haben in jüngerer Zeit manche Lücke in das hierzulande so traditionsreiche Feld bürgerschaftlichen Engagements geschlagen. Hier fehlen Chören die Mitsänger, da Vereinen der Nachwuchs, dort sterben die weg, die oft über Jahrzehnte motivierendes Zentrum einer Gemeinschaft waren und/oder sich mit dem Kleinklein der Organisation abgemüht hatten. Und dennoch wäre es falsch, dem privaten, aus Freude an Kunst und Kultur erwachsenden Engagement das Totenglöckchen zu läuten. Dies Feld erwies sich in der Vergangenheit und erweist sich auch heute als beständiger, lebendiger, fruchtbarer denn gemeinhin oft befürchtet. Bisherige Akteure beschreiten neue Wege, und immer wieder treten unerwartet neue Akteure auf den Plan. Letzteres geschah jetzt etwa in Neuwied. Dort haben in diesem Jahr zehn ältere Herren zusammengefunden und einen Verein der Bluesfreunde aus der Taufe gehoben. Einfach so.

Konzertlocation am "River of Dreams"

Ich bin verabredet mit Jürgen Teutloff, dem ersten Vorsitzenden, und mit Karlheinz Kroke, der sich  um die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins kümmert. Treffpunkt ist das „Bootshaus an der Rheinbrücke”, nahe am Strom, gleich hinterm Deich. Dies ist die vom Bluesverein erkorene Location für das, was seit Gründung Anfang des Jahres war und künftig in Fülle folgen soll. „Direkt am Rhein gelegen, entsteht so etwas wie Mississippi Feeling am River of Dreams”, heißt es auf der Website der Bluesfreunde in etwas überschwänglicher PR-Poesie. Gleichwohl passt da irgendwie doch alles zu der Musik, die der neue Verein mehrmals pro Jahr live ins Domizil des bald hundertjährigen Neuwieder Wassersportvereins bringen will. Genauer gesagt, in den 200 Besucher fassenden Saal der darin beheimateten Gaststätte. Dessen Interieur mag vom Schick und Mick heutiger Gastro-Moden nichts wissen, fühlt sich eher mit der Tanzsaalkultur der 1970er verbunden – und kann neben bluesangemessener Einfachheit mit einer erstaunlich guten Akustik aufwarten.

Zweimal schon seit Gründung hat die Bluesgemeinschaft ins Bootshaus zum Konzert geladen. „Volle Bude und starke Stimmung”, erinnert sich Kroke ans Vereinsdebut im April 2016. Gespielt hatten zwei Bands: als Hauptact „Die BluesNasen feat. Larry 'Doc' Watkins” und als Vorgruppe „The Boomboxes”. Letztere sind eine junge Bluesrock-Formation aus Koblenz, die beim rheinland-pfälzischen Nachwuchswettbewerb Rockbuster 2015 unter den Siegerbands war und in Neuwied mächtig auftrumpfte. Spannendes und mitreißendes Schmankerl an jenem Premierenabend sei die umstandslose gemeiname Jam Session von alten Blueshasen und Newcomern gewesen.



Das zweite Konzert des Vereins brachte jüngst am schwül-heißen 10. September „Zed Mitchell and Band” ins neuerlich gut gefüllte Bootshaus. Und weil der Witterung wegen die Saalfenster weit aufgerissen waren, fanden sich zahlreiche Zaungäste auf dem Deich ein, ließen es sich draußen beim Blues ebenfalls gut gehen. Die weiteren Planungen des Bluesfreunde Neuwied e.V. stehen bereits. Am 12. Dezember werden Stevie Nimmo and Support (Thundercloud) auftreten, für den 3. Februar 2017 sind Hot 'n' Nasty avisiert. Im Sommer nächsten Jahres ist ein erstes Festival angedacht: Drei bis fünf Bands unterschiedlicher Bluesstile, die sich open-air im hübschen Innenhof des Neuwieder Foodhotels die Bühne teilen.

Frage an meine bluesbegeisterten Gesprächspartner: Wie kommt man auf die verrückte Idee einen solchen Verein in die Welt zu setzen? Jürgen Teutloff, gestandener Neuwieder Geschäftsmann, erzählt von Wirtshausplaudereien mit einem in Neuwied arbeitenden, aber in Ostfriesland lebenden Bekannten. Der hatte in seiner nordischen Heimat kleine Bluesfestivals organisiert und machte nun Teutloff den Mund wässrig mit Erzählungen über namhafte Bands, die dort schon aufgetreten waren. So spross der Gedanke: Was in Ostfriesland geht, sollte in Neuwied doch auch möglich sein.   Der nachherige 1. Vereinsvorsitzende suchte in seinem Umfeld nach Mitstreitern. Erstaunlich schnell konnte er eine Schar Williger gewinnen, für die Menschen in der Deichstadt und ihrer Umgebung durch Etablierung einer Bluesszene das Kulturleben zu bereichern.

"Da müssen wir uns hineinfinden"

Abgesehen von besagtem friesischen Bekannten und einigen Erfahrungen Krokes als passioniertem Hobby-Drummer seit Jugendtagen, hat keiner der Neuwieder Bluesfreunde Ahnung vom Business in dieser Szene. Weshalb bei unserem Gespräch immer wieder Sätze fallen wie „da müssen wir uns hineinfinden” oder „dafür müssen wir erst noch ein Gespür entwickeln” und schließlich „das wird einen langen Atem brauchen”. Bei Letzterem verweist Kroke aufs Neuwieder Jazz-Festival, das demnächst 40 Jahre alt wird und sich, ähnlich dem Bluesfestival Lahnstein, über die Jahrzehnte mit Qualität und Beharrlichkeit zur festen Größe in der nationalen wie internationalen Szene entwickelt hat.

Der Zweck des Neuwieder Bluesfreunde-Vereins ist ganz schlicht so definiert: Konzerte veranstalten mit lokalen, nationalen und später auch internationalen Musikern; zugleich jungen Nachwuchs aus der Region fördern durch Schaffung von Auftrittsmöglichkeiten. Was die Nachwuchsförderung betrifft, baut man auf Erfahrungen und Kontakte der rheinland-pfälzischen LAG Rock-Pop. Konkurrenz zur Lahnsteiner Bluesszene soll es keinesfalls geben; man nimmt Rücksicht bei der Konzertterminierung. Ansonsten strahlen Teutloff und Kroke eine ruhige Zuversicht für ihre Unternehmung aus. Die speist sich nicht zuletzt aus dem Umstand, dass ihnen noch keiner den Vogel gezeigt und bislang noch niemand gemeckert hat. „Im Gegenteil”, sagt Kroke, „wir erfahren viel Zuspruch, man wünscht uns von allen Seiten gutes Gelingen.” So sei es.
Andreas Pecht

Info: >>bluesfreunde-neuwied.de/                           


(Erstabdruck/-veröffentlichung außerhalb dieser website
39. Woche im September 2016)


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