Kritiken Theater | |||
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2016-02-01 Schauspielkritik: | |
Zeitlose Lehren über den Krieg in „Mutter Courage und ihre Kinder” Fabelhafte Inszenierung des Brecht-Klassiker am Staatstheater Wiesbaden |
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ape.
Wiesbaden. „Mutter Courage und ihre Kinder” ist einer der
großen Antikriegsklassiker des Theaters. 1941 in Zürich uraufgeführt,
wurde Bert Brechts eigene Inszenierung seines Stückes 1949 in Berlin
zur lange verbindlichen Modellform. Spätere Theatermacher brachen diese
Vorgabe dann auf, gossen das belehrende Spiel mit Planwagen und
rustikaler Marktenderin in andere Darstellungsformen. Die jüngste
Generation steht der „Chronik aus dem 30-jährigen Krieg” eher
desinteressiert gegenüber: zu altbacken, zu verstaubt sei sie.
Thorleifur Örn Arnarsson mag diese Haltung nicht teilen und schuf dem
Staatstheater Wiesbaden jetzt eine fabelhafte Einrichtung. |
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![]() Jósef Halldórsson hat für den knapp zweieinhalbstündigen Abend die Bühne als blütenweiße Neurralumgebung gestaltet. Dahinein stellt er zentral eine kleine Rundbühne mit schmalen Treppenaufbauten, die wie billig zusammengenagelt wirken. Aus Brechts Marketenderwagen ist so das Brettl einer wandernden Schauspieltruppe geworden. Auf dem musiziert und spielt zu Beginn das neunköpfige Ensemble in allerhand Kostümierung und nach Varieté-Manier den Titelsong des Stückes. Also noch eine musicalartige Verwurstung, wie es sie seit den 1980ern reichlich und liebreizend gegeben hat? Auch davon mag Arnarsson nichts wissen. Er nimmt Brechts Lehren über den Krieg ernst. Immerhin bezieht sich das Stück auf den längsten und verlustreichsten Religionskriegkrieg der Weltgeschichte: den innerabendländischen 30-jährigen zwischen Katholiken und Protestanten. Vor allem: Das Stück handelt von der durch Propaganda und National- oder Glaubenseifer immer wieder verdrängten Wahrheit, dass kleine Leute in den Kriegen der großen nie etwas gewinnen. Und es handelt von der frustrierenden wie grausigen Erkenntnis: „Krieg wird sein, solange auch nur ein Mensch noch am Krieg verdient.” Sage noch jemand, dieser Stoff sei verstaubt. Unbelehrbar bleibt Courage, die im Tross der Heere durch die Lande zieht, geschäftstüchtig die Soldaten mit Branntwein und allerhand Krams versorgt. Selbst als der Krieg ihr die Söhne Eilif und Schweizerkäs (Christian Erdt/Nils Strunk) nimmt, lobt sie ihn rasch wieder als Grundlage ihres Broterwerbs. In Wiesbaden dreht Sólveig Arnarsdóttir in dieser Rolle ihr Rundbühnchen durch die Kriegsjahre. Sie ist eine Courage-Darstellerin von anderem Typus als dereinst Helene Weigel oder Therese Giehse. Kecker, weicher, gefühliger – aber in den entscheidenden Momenten dann doch ebenso hart und kalt wie die berühmten Vorbilder. ![]() Doch schon Brecht konnte trotz seiner auf rationale Erkenntnis abzielenden Stückanlage emotionale Betroffenheit beim Publikum nicht verhindern. Arnarsson will das offenbar gar nicht, denn Zug um Zug verlangsamt und verdichtet sich seine Inszenierung zum schieren Kammerspiel verletzter Seelen. Angelpunkt wird der Courage stumme Tochter, die sich nach Frieden und Liebe sehnende Kattrin. Barbara Dussler glänzt mit einer körperlichen Präsenz, die aus strenger Zurückgenommenheit ungeheure Ausdruckskraft zieht. Und sie durchbricht in einer überraschenden Schlusszene der Courage Maxime vom Gefangensein in der Logik des Krieges, die da lautet: Nähre dich an ihm oder stirb. Andreas Pecht Infos: >> www.staatstheater-wiesbaden.de/ (Erstabdruck/-veröffentlichung in einem Pressemedium außerhalb dieser website am 1. Februar 2016) --------------------------------------------------------- ∇ Wer oder was ist www.pecht.info? --------------------------------------------------------- |
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