Kritiken Theater | |||
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2009-03-29 Schauspielkritik: | |
Dirk Diekmann inszenierte als letzte Schauspielpremiere der Koblenzer Ära Ritzel „Floh im Ohr“ Abschied: Vom großen Faust zur kleinen Komödie |
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ape. Koblenz. Es
geht rein und raus, rauf und runter, drunter und drüber. Das
Stadttheater Koblenz gibt die Komödie „Der Floh im Ohr“ – als
letzte Schauspielpremiere der zehnjährigen Intendanz von Annegret
Ritzel. Ein Abschiedsabend also, der in der Person von Dirk Diekmann
einen Kreis schließt. 1999 hatte er als Faust in Ritzels großer
Inszenierung des Goethe-Klassikers am Rhein-Mosel-Eck neue
schauspielerische Maßstäbe gesetzt. Am Samstag nun beendete er das
Koblenzer Kapitel als Regisseur des turbulenten Evergreens von Georges
Feydeau. |
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Seltsam,
die Bescheidenheit bei der Stückwahl für den besonderen Augenblick.
Statt eines bedeutenden Werkes, nur diese kleine Salonkomödie. Und die
ganz konventionell inszeniert. Kein Abend, der in Erinnerung bleibt.
Ein Kerzlein bloß, verglichen mit dem Glanz des „Faust“ oder mit
dem Stück „Kopenhagen“, das Diekmann 2005 spielend und Regie führend zu
einer der bedeutendsten Sprechtheater-Produktionen in der Ära Ritzel
machte. War 2007 seine Bearbeitung und Inszenierung des Romans „Elementarteilchen“ ein Geniestreich zeitgenössischen Kammertheaters, so ist die jetzige Arbeit solides Bühnenhandwerk – schlichte, aber herzliche Abschiedsgeste eines erschöpften und kranken Meisters. Er ruft die Fähigkeiten des Spielpersonals ab, verbindet sie zu jenem präzisen Uhrwerk, das der Kritiker Herbert Ihering einst für den Schwank verlangte. Markus Scherer kann sein komisches Talent als sprechbehinderter Trottel ausspielen, Olaf Schaeffer am Rande des Nervenzusammenbruchs balancieren, Markus Angenvorth die Wirkung seines zurückhaltenden Spielnaturells entfalten. Während auf der Bühne die Komödientüren klappern, Hotelbetten rotieren und eifersüchtelndes Verwechslungsspiel seinen Gang nimmt, steigen Erinnerungen an Schauspielmomente aus dem Ritzel-Jahrzehnt auf. An einen mit Libido-Atmosphäre getränkten „Sommernachtstraum“. An „Pancomedia“ von Botho Strauß, ebenso irritierend wie hinreißend. An der Intendantin „Galileo“-Inszenierung, die getreulich Brechts Vorlage folgte, dem Vernunftdiskurs so beste Dienste erwies. Namen tauchen auf von Talenten, die kamen und oft zu schnell wieder gingen. Nina Langer, die Lessings Emilia Galotti nie gesehene Ambivalenzen einhauchte. Evelyne Cannard, die noch kleinsten Rollen schönste Farben mitgab – leider nie richtig groß besetzt wurde. Andreas Weißert, der Mann für die Alterspartien, beeindruckend als Philipp II., Niels Bohr oder greiser Galileo. Madeleine Niesche selbstredend: Heilige und Hure, Bürgerin und Königin, Schwester, Weib und zuletzt „Mutter Courage“. Eine Naturbegabung mit Esprit und Strahlkraft, die alles können sollte, vielleicht auch wollte, sich deshalb über die Jahre aber wund spielte. Rauf und runter, drunter und drüber. So zwar gewiss nicht gedacht, könnte man „Floh im Ohr“ doch als augenzwinkernde Nachrede auf die wechselhafte Intendanz von Anne Ritzel auffassen. Einer Schauspiel-Regisseurin, die über ihre Wiesbadener und Koblenzer Jahre vielfach Format bewiesen hat – wenn sie auf ihrem angestammten künstlerischen Platz weilte: dem Regiestuhl. Abschied nun also. Was am Theater seit ewigen Zeiten zugleich Aufbruch und Neuanfang bedeutet: für die Weggehenden, die Ankommenden und die Dableibenden. Andreas Pecht Infos/Karten: www.theater-koblenz.de (Erstabdruck am 30. März 2009) Intendanz Annegret Ritzel, Koblenz, letzte Schauspielpremiere, "Der Floh im Ohr", Regie: Dirk Diekmann, Abschied |
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