Thema Politik | |||
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2008-08-10 Kommentar: | |
Olympischer Friede und kaukasischer Krieg |
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ape. Wird das Datum 8. August 2008 eher als Eröffnungstag denkwürdiger 29. Olympischer Spiele oder als Ausbruchstag des Kaukasus-Krieges im
historischen Gedächtnis bleiben? Für den medial zugeschalteten
Zeitgenossen entfaltet die Gleichzeitigkeit der Ereignisse
jedenfalls desillusionierende Wucht. "Eine Welt, ein Traum" heißt
es in Peking, und Putin klatscht im olympischen Vogelnest dazu Beifall
- wissend, dass im selben Augenblick nur ein paar Tausend Kilometer
weiter auf sein Geheiß hin russische Truppen in den Krieg ziehen. Noch
während der Feiern in China wechselt vor dem geistigen Auge das
Olympia-Leitmotto seinen Charakter von ersehntem Ideal zu
realexistierendem Wahnsinn: Eine Welt, ein Albtraum. Was da im Kaukasus derzeit vor sich geht, ist im Grunde bloß die Wiederaufführung eines uralten Stückes: Großmächte (Russland vs. USA/Nato) machen ihr Spiel um Macht und Einflusssphären, eine unscheinbare Mittelmacht (Georgien) gibt den Spielball ab und das Schicksal eines winzigen Völkchens in einer scheinbar vergessenen Weltecke (Südossetien) wird zum Spielanlass zurechtgebogen. Georgien will zum Westen, der Westen will Georgien; Russland hingegen will Herr im eigenen Vorhof bleiben, kann Georgien deshalb nicht dem Westen überlassen. Wer´s bis hierhin noch nicht versteht, nehme einmal die Trassenverläufe existierender wie noch geplanter Öl- und Gaspipelines in jenem Teil der Erde unter die Lupe: Geriete Georgien unter Nato-Einfluss, die geostrategische Position Russlands würde erheblich geschwächt. Zurück nach Peking, hin zu den Eindrücken von und den Resonanzen auf die olympische Eröffnungsfeier. Die Auftritte mancher Moderatoren und Kommentatoren hatten etwas Bemühtes, auch etwas Bigottes an sich. Mit entnervender Ausdauer suchte Sandra Maischberger als TV-Sprecherin bei der Liveübertragung Sportler und Publikum unaufhörlich nach irgendwas ab, das irgendwie als politischer Protest gegen das chinesische Regime gedeutelt werden könnte. Nachgerade absurd waren dann Bemerkungen einiger West-Beobachter, die Bombast und Masseninszenierungen des Eröffnungsprogramms teils als typischen Ausdruck totalitär-kommunistischer Ästhetik verstanden wissen wollten. Schon vergessen? Für Veranstaltungen dieser Art waren, egal wo sie stattfanden, immer Bombast und durchchoreografierte Massenauftritte charakteristisch - ob Olympia oder bloß Deutsches Turnfest. Man kann das mögen oder nicht, aber man kann den Chinesen doch nicht zum Vorwurf machen, dass sie es ziemlich gut hingekriegt haben und sie sich darüber auch noch freuen. Natürlich sind diese Olympischen Spiele ein Politikum und ist auch mein Verhältnis dazu ein fast schmerzhaft ambivalentes. Wo heute vor allem der repressive Charakter des China-Regimes die Freude am sportiv-multikulurellen Weltjugendfest trübt, war es - neben dem Dauerärgernis Doping - in den Vorjahren schon dessen widerwärtige Totalkommerzialisierung bei den im Westen ausgetragenen Spielen. Erinnert sei an die diesbezüglich hoch aufschäumende Diskussion etwa während der Olympiade von Atlanta 1996. Erinnert sei ebenso an den Disput über die irrwitzigen Sicherheitsmaßnahmen bei den Winterspielen von Salt Lake City 2002. Wir vergessen zu schnell und neigen gerne dazu, mit ungleichem Maß zu messen. Und das diesmal besonders kräftig angesichts des Selbstbewusstseins, das der wirtschaftlich boomende 1,3 Millarden-Menschen-Gigant China verströmt; jetzt eben auch mit seinem eindrucksvollen olympischen Hinweis auf eine 5000-jährige Hochkultur. Woran also werden wir uns in einigen Jahren eher erinnern: an Olympia in Peking oder den Krieg im Kaukasus? Das hängt ab vom weiteren Gang der Dinge – vor allem auf dem Schlachtfeld. Mein Wunsch: Mögen die olympischen Spiele 2008 ein großes Kapitel im Geschichtsbuch schreiben und ein schon im Anfangsstudium wieder beendeter Krieg als Fußnote in selbigem verschwinden. Andreas Pecht |
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(Erstabdruck einer leicht gekürzten Fassung am 11. August 2008) Kommentar, olympischer Friede und kauskasischer Krieg |
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