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2008-06-04 Kommentar: | |
Ohne Bauern geht gar nichts Zu Welternährungsgipfel in Rom und Milchbauern-Bobykott in Deutschland |
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ape.
Hunger-Unruhen rund um den Erdball wegen explodierender Preise für
Grundnahrungsmittel. Ausstand der deutschen Milchbauern wegen zu
niedriger Abnahmepreise. Dazu jetzt der UN-Gipfel in Rom mit
Alarm-Aufrufen zur Bekämpfung einer heraufziehenden
Welternährungskrise. Irgendwie gehört das alles zusammen und spielen
auch Klimawandel, Benzinpreis, Börsenspekulation, Entwicklungshilfe,
Überbevölkerung und etliche andere Faktoren mit. Weshalb es einfache
Antworten auf fast keine Frage gibt, die mit Nahrungsmittelversorgung
und Landwirtschaft zu tun haben. Eines indes ist unverkennbar: Die Landwirtschaft nimmt im allgemeinen Bewusstsein plötzlich wieder jenen hohen Rang ein, der ihr als Basis allen menschlichen Lebens gebührt. Wenn Kinder erfahren, dass Milch von Kühen kommt und die Kühe gar nicht lila sind, ist das prima. Ebenso, wenn Erwachsenen wieder klar wird, dass Bauernarbeit größere Bedeutung hat, als der rechnerisch geringe Anteil ihrer Produktion am Bruttosozialprodukt vermuten lässt. Ohne Bauern und ihre Landwirtschaft geht gar nichts. So weit, so eindeutig. Weniger eindeutig sind die Signale vom Gipfel in Rom. Dort wird einerseits die alte Forderung nach totaler Liberalisierung der globalen Agrarmärkte mit neuen Ausrufezeichen versehen. Nachvollziehbar angesichts der schreienden Ungerechtigkeit, dass gerade die Entwicklungsländer gegen Handelshemmnisse und hoch subventionierte Konkurrenten etwa auf europäischer oder amerikanischer Seite anrennen. Doch auch beim Freihandel müssten schwächere Landwirtschaften mit agrarischen Hochleistungsindustrien konkurrieren. Die Folgen solchen Konkurrenzkampfes beobachten wir hierzulande seit Jahrzehnten: Bauernlegen – Welle um Welle wird die Zahl der Höfe kleiner, werden die verbleibenden Betriebe größer, ersetzt auf Fernmärkte angewiesene Spezialisierung regionale Vollversorgung. Einige der in Rom versammelten Fachleute halten das im globalen Maßstab für eine Sackgasse – und plädieren deshalb nicht nur für eine milliardenschwere Offensive gegen den Hunger, sondern zugleich für die Förderung regionaler Agrarstrukturen als weitgehend autonome Vollversorger für die dortige Bevölkerung. Ein bedenkenswerter Ansatz, der freilich dem Verlangen nach globalem Freihandel zuwider liefe. Freies Spiel der Marktkräfte gegen gezielte Struktur- und Produktionsförderung wo nötig oder sinnvoll? Darum geht es im Grunde auch beim derzeitigen Streit um die deutschen Milchpreise. Wobei die Fronten ziemlich unübersichtlich sind, weil subventionierte Landwirte einer quasi als Monopol auftretenden Molkerei- und Handelswirtschaft gegenüberstehen. Die Verbraucher scheinen begriffen zu haben, dass es sich zu einfach macht, wer da bloß nach mehr Marktkonformität bei den Bauern ruft: 88 Prozent der Deutschen wären nach einer aktuellen Umfrage mit einem etwas höheren Milchpreis einverstanden, wenn das Geld auch tatsächlich an die Produzenten ginge. Garantieren kann das aber niemand, es sei denn, man würde die Marktgesetze partiell außer Kraft setzen. Bleibt die Frage: Wäre das so furchtbar? Die EU tut das, seit sie existiert. Sie tat es leider zu oft auf unkluge Weise. Immerhin würde ohne staatliche Förderung von der alpinen Hochalm-Landwirtschaft heute gar nichts mehr existieren. Übertragen aufs große Ganze: Ohne Schutz vor dem gnadenlosen Durchgriff des Weltmarktes gelangen Kleinbauern in Westafrika oder Bengalen schwerlich zu einem Einkommen und ihre Heimatregionen schwerlich zu einer von Rohstoff-Spekulanten an der New Yorker Börse unabhängigen Nahrungsmittelversorgung. Andreas Pecht |
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(Erstabdruck am 5. Juni 2008) Kommentar zum Welternährungsgipfel in Rom und Lieferboykott der deutschen Milchbauern. l |
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