Kritiken Theater | |||
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2008-05-18 Ballettkritik: | |
Vielfalt von höchster Schwierigkeit Programm XXVII beim ballettmainz mit Altmeister Hans van Manen, Jungmeister Nick Hobbs und dem Choreographen-Duo Lightfoot/León |
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ape. Mainz. Verglichen
mit den Applaus-Orgien etwa beim Berliner Staatsballett, neigt das
Ballettpublikum in Mainz gewöhnlich zu eher gesetzten
Begeisterungsbekundungen. Nicht so an diesem Wochenende: Die Premiere
des dreiteiligen „Programm XXVII“ von ballettmainz im Großen Haus des
Staatstheaters endete mit für dortige Verhältnisse ekstatischen
Ovationen. |
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Bejubelt
wurde die abschließende Arbeit „Sh-Boom!“ des Choreographen-Duos Paul
Lightfoot/Sol León, uraufgeführt 1994 beim Nederlands Dans Theater
(NDT). Eine Persiflage auf Show-Elemente, wie sie zwischen 1920 und
1950 im Entertainment beliebt waren. Die Herren in Feinripp-Unterwäsche
nebst weißen Kniestrümpfen, die Damen in schwarzen, wadenlangen
Kleidern, entfaltet sich zu ollen Schlagern aus diversen Ländern ein
temporeiches Spiel zwischen Trampeligkeit, Frivolität und
Unterhaltungseffekten. . „Sh-Boom!“ gibt sich an der Oberfläche als Lustigmacher. Darunter jedoch wirkt jene Bitterkeit, in die das Show-Business seine kalauernden Helden treibt. Vor allem aber lebt diese so leichtgewichtig daher kommende Choreographie vom Esprit einer unglaublichen Dichte tänzerischer Höchstanforderungen im Kleinen. Das trifft auch auf das Mittelstück des Abends zu: „Kammerballett“ des niederländischen Altmeisters Hans van Manen für acht Tänzer mit acht Hockern auf ovaler Lichtfläche.. Klar und schlicht sind die choreografischen Linien und Gruppierungen im Raum. Viererfronten vis-a-vis, Halbkreis, Kreis erinnern an Gesellschaftsspiele. Und wie bei diesen, prallen auch hier bald unterschiedliche Charaktere aufeinander. Mal lebt sich die Konkurrenz dreier Männer in überzeichneten Figuren romantischen Junghelden-Balletts aus. Mal umflirren sich die Geschlechter in doppelgesichtigen Pas de Deux, die Anziehung und Abstoßung verweben. „Kammerballett“ ist ein aus Widersprüchen bestehendes poetisches Ganzes, dessen Funktionieren völlig abhängt vom Höchstmaß tänzerischer Akkuratesse bis hin zur kleinsten Muskelspannung, Blickwendung, Fingerspreizung. In dieser Hinsicht liegt das 1995 vom NDT uraufgeführte Werk beim ballettmainz in besten Händen. Überhaupt darf der Premierenjubel auch als Anerkennung für die fulminante Gesamtleistung der Mainzer Tänzer auf allen Positionen verstanden werden. Von van Manen zu Nick Hobbs, der mit seinen „Metamorphoses nocturnes“ zum Streichquartett Nr. 1 von György Ligeti den Abend eröffnete. Es gibt in mancher Künstlerbiographie einen Knackpunkt, an dem man aufhören muss, von „hoffnungsvollem Talent“ zu sprechen. In der Vita von Nick Hobbs wird die jetzige Uraufführung diese Position einnehmen. Der einstige Koblenzer, dann Mainzer Tänzer und derzeitige „Choreographer in Residence“ beim ballettmainz hat soeben den Schritt von vielversprechenden Etüden zu bedeutender Kunstschöpfung vollzogen. Seine Choreographie ist staunenswerte Verdichtung wie Weiterentwicklung des Bewegungsrepertoires, das Hobbs bisher erprobt hat. Er findet eigene Wege zur Sichtbarmachung des Musikgeistes. Er greift Ligetis multiple Strukturen und Atmosphären in großen Formationen und klein besetzten Passagen auf. Diese kombinieren schwierigste Figuren des klassischen und neoklassischen Balletts in atemberaubend rascher Abfolge, um sie gleich darauf in technisch schier unmöglich erscheinenden Positionen zu verzögern, gar zur Momentaufnahme gerinnen zu lassen. So entsteht unter einem stetig sinkenden schwachen Leuchtring und bei mehrfach sich fast unbemerkt vollziehendem Kostümwechsel ein immer weiter drängendes Gesamtwerk aus unzähligen Augenblicken musikalischen, tänzerischen, menschlichen Empfindens. Die Metamorphosen des Lebens zwischen Schmerz und Schmunzeln umfassend. Andreas Pecht Info: www.staatstheater-mainz.de (Erstabdruck 19. Mai 2008) Staatstheater Mainz, ballettmainz, Programm XXVII, Kritik, Choreografien von Nick Hobbs, Hans van Manen, Paul Lightfoot/Sol León |
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