Kritiken Theater | |||
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2007-10-11 Schauspielkritik: | |
"Die Banalität der Liebe" Uraufführung in Bonn: Über die Beziehung zwischen Heidegger und Hannah Arendt |
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ape. Bonn. Drei
Stunden Sprechtheater, intellektuell fordernd wie anregend. Im Zentrum
zwei Fragen: War der Philosoph Martin Heidegger ein Nazi –
„nur“ als Opportunist im akademischen Betrieb oder auch in
seiner Philosophie? Wenn ja, wie konnte die linksaufklärerische
Politologin Hannah Arendt, eine Jüdin, sich im Studentenalter in
ihn verlieben und diese Liebe nie mehr loswerden? Die erste Frage wird
seit Jahrzehnten disputiert, über die zweite gerätselt, seit
in den 1980ern bekannt wurde, dass der verheiratete Professor und seine
17 Jahre jüngere Studentin im Verborgenen liiert waren. |
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Das
Theater kann den Disput nicht entscheiden, ihm aber Aspekte des
Menschlichen beifügen. Das macht bereits der Titel des in den
Kammerspielen Godesberg uraufgeführten, von Stefan Heiseke
inszenierten Stückes der Israelin Savyon Liebrecht: „Die
Banalität der Liebe“ bezieht sich auf Arendts Buch
„Banalität des Bösen“ über den
Eichmann-Prozess. Daraus stammt, sinngemäß, eine Passage,
die Anke Zillich ihre 69-Jährige Hannah auf der Bühne
sprechen lässt: „Die meisten Nazis waren keine Bestien. Sie
hatten Familien und waren hingebungsvolle Väter. Ihre
Normalität ist das Beängstigendste. Und das ist die
Banalität des Bösen.“ Die Arendt wurde nach Erscheinen des Buches wegen vermeintlicher Nachsicht gegenüber den Mördern gerade in Israel heftig angefeindet. Der Vorwurf verkennt die entsetzliche Tragweite einer Analyse, die den Nazismus nicht als psychopathologische Entgleisung entlastet, sondern Täter, Mitläufer, Dulder in voll-bewusste Verantwortung nimmt. Im Stück wehrt sich die Seniorin im Gespräch mit einem jungen Israeli (Arne Lenk) gegen das Missverstandenwerden. Doch dessen Insistieren auf ihre Liebe zum Nazi Heidegger spitzt auch alle ihre eigenen Erklärungsnöte zu. Die Bühne (Ariane Salzbrunn) wird von der Klagemauer überragt. Davor öffnet sich ein weißer, zeitloser Raum. Dahinein drängt sich, aus dem Boden aufsteigend, ein pittoreskes Hüttlein: das Liebesnest von Professor und Studentin. Dahinein treten über aus den Wänden fahrende Zugänge die Geister der Vergangenheit, mischen sich als Erinnerung in die Gegenwart der alten Hannah. Fabelhaft vollzieht Maria Munkert den Wandel vom schüchternen, für ihren Lehrer schwärmenden Backfisch zur jungen Intellektuellen, die mit Wille und Bewusstsein geheime Liebhaberin wird. In wunderbar dezenter Steifheit, noch zwischen Lustfedern altbackenem Benimm verpflichtet, gibt Yorck Dippe den Akademiker Heidegger auf Abwegen. In jenem Hüttlein gehen Denken und Liebe eine innige Beziehung ein. Das Paar im geistigen Diskurs und doch hitzig umschlungen; eine unmögliche Liaison, deren Auflösung schmerzhaft ist. Wiederbegegnung 1950. Heidegger als NSDAP-Mitglied geächtet, Arendt angesehene Professorin. Rolf Mautz und Anke Zillich spielen die Gealterten. Sie eine Frau von Welt, die erfahren will, was ihn ab 1933 so veränderte, die Schuldgeständnis und Entschuldigung erwartet. Er ein verbiesterter Mann, der die Vorwürfe für ungerecht hält und die Nazis für Verräter am Nationalsozialismus. Ein unvereinbarer Gegensatz, und doch überbrückt ihn nie erstorbene Liebe. Mit diesem Konflikt muss die alte Arendt leben. Die junge singt dazu melancholische Lovesongs. Am Ende stimmt der junge Heidegger ein. Wehmut allenthalben, ob der vielen unbeantworteten Fragen und des Staunens darüber, dass eine Zärtlichkeit bleibt. Das ist „die Banalität der Liebe“. Ein interessantes Stück, gut erarbeitet, stark gespielt. Andreas Pecht (Erstabdruck 12. Oktober 07) |
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