Kritiken Ausstellungen | |||
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2007-09-25 Ausstellungsbesprechung: | |
Der Menschen Sehnsucht in 350 Bildern Ein bemerkenswertes Kooperationsprojekt: Fotofestival Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg mit Arbeiten von 82 Fotografen aus 30 Ländern |
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ape. Rhein-Neckar-Raum.
Zwei Bundesländer, drei Städte, ein Dutzend Ausstellungsorte,
82 Künstler, 350 Exponate: Opulenter Auftritt einer der Fotokunst
gewidmeten Veranstaltung. Unter dem Titel „Reality
Crossings“ erzählt das Fotofestival
Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg vom Aufeinandertreffen aktueller
Fotografie und heutiger Lebenswirklichkeiten. Eine Schau, die den
Rhein-Neckar-Raum zur Adresse von Gewicht in der internationalen
Fotografie-Szene macht. |
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Eine
Wand mit Porträts russischer Soldatinnen in schmucker
Ausgehuniform. Friedvoll, fraulich-anmutig
präsentieren sie sich im Sonnenlicht der Fotografin
Anastasia Khoroshilova. Und doch sind es Kriegerinnen. In der
Kunsthalle Mannheim hat Christoph Tannert – der Kurator des 2.
Fotofestivals Mannheim, Ludwigshafen, Heidelberg – an die Wand
gegenüber Aufnahmen von Mette Tronvoll gehängt:
Norwegische Elitsoldaten, schwer bewaffnet, die Tarnmütze
der Kampfmontur lässt durch Schlitze bloß Augen und
Mund erkennen. Martialische Krieger – und doch sind es Menschen. Zwei Fotoserien, unabhängig voneinander entstanden, jede für sich sprechend. Durch die kontrastierende Hängung öffnet sich dem Betrachter eine neue Dimension der Wahrnehmung. Ein Beispiel von vielen, wie bei diesem Festival überlappende Realitäten lehren, gewöhnlich Übersehenes (wieder) zu sehen. Fotograf Jo Voets hielt mit der Kamera in Brüssel Spuren der Integration wie der Ausgrenzung von Einwanderern fest. Ein Bild zeigt belgische Veteranen, Greise und Kinder unterschiedlichster Herkunft bei einer Gedenkfeier zum Jahrestag der Befreiung von den Nazi. Die in den USA lebende iranische Fotografin Soody Sharifi hielt Momente fest, die muslimische Frauen mit ihren Männern zeigen – und vom Selbstbewusstsein dieser Frauen zeugen, vom ihrem Potenzial zur Emanzipation. Das Kooperationsfestival zwischen baden-württembergischen und rheinland-pfälzischen Städten versammelt Fotokünstler aus 30 Ländern, die Mehrzahl in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geboren. Deren dokumentarisch-künstlerischer Blick hält viel-sagende Momente ihrer, unserer Wirklichkeit fest. Die Münchnerin Bastienne Schmidt zeigt Frauen von heute befangen in sehnsuchtsvoller Einsamkeit, gefangen zwischen Kind, chickem Haus und Beruf. Die Berlinerin Verena Jaekel ist mit Familienporträts vertreten: Formal ganz klassisch, sind darauf allerdings Lebensgemeinschaften von Frauen mit Kindern oder Männern mit Kindern, auch mit Kindern, die sichtlich nicht ihre leiblichen sind. Im Zentrum des Ausstellungskonzeptes steht „der sozial interessierte Blick“, stehen laut Tannert „künstlerische Positionen, die sich den Idealen der Aufklärung verpflichtet sehen“. Diesem Anspruch wird etwa die Italienierin Letizia Battaglia gerecht mit ihren dokumentarischen Fotos über das Leben in den Armenvierteln von Palermo und unter dem Terror der Mafia. Der diesjährigen Trägerin des Erich-Salomon-Preises ist im Ernst-Block-Zentrum Ludwigshafen eine Einzelausstellung gewidmet. Zu den drei rheinland-pfälzischen Stationen des Festivals gehört auch die elektronisch animierte Präsentation mehrerer Künstler mit Impressionen aus dem Großstadtleben von Jugendlichen im Kunstverein Ludwigshafen. Schon seiner Größe wegen kommt dem dortigen Wilhelm-Hack-Museum neben der Kunsthalle Mannheim und dem Kurpfälzischen Museum Heidelberg zentrale Bedeutung innerhalb des Fotofestivals zu. Auf zwei Ebenen stellen sich im Hack-Museum Welt- und Menschenbilder unterschiedlichster Perspektiven zur Diskussion. Kinder, die in Dafur zwischen Granaten Soldat spielen oder Soldat sind. Vom Leben fortschreitend gezeichnete Gesichter einer Britin. Gesichter von Jungen vor und nach einem Boxkampf. Bilder, die vom Leben unter Brücken berichten, andere, die von der Ware Liebe erzählen und die Tristesse hinter glatter Oberfläche sichtbar machen. Menschen feiern, trauern, hungern, posieren – fast immer aber scheint ihnen auch eine stille Sehnsucht nach irgendwas eigen. Das Fotofestival Mannheim, Ludigshafen, Heidelberg ist ein Kaleidoskop des Menschlichen und eine – zeitgenössische wie globale – Schule des Sehens. Einen Tag braucht die AusstellungsRundreise schon; zwei wären besser. Es lohnt sich. Andreas Pecht Bis 21.10.; Di–So 11-18 Uhr. Ausführliche Infos im Internet: www.fotofestival-ma-lu-hd.de (Erstabdruck 26.09.2007) |
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