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2007-06-10 Analyse: | |
War der G8-Gipfel Erfolg oder Misserfolg? Ein Urteil werden erst die Wirkungen möglich machen Mit etwas Abstand: Nachgedanken zu den Tagen von Heiligendamm |
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ape.
Es ist wie immer bei derartigen Ereignissen: Kaum eine der im Eifer des
Gefechtes verbreiteten Erstmeldungen hat über den Tag hinaus
Bestand. 48 Stunden nach Ende des G-8-Gipfels von Heiligendamm gilt das
sowohl für die Substanz des Politikertreffens wie für die
Vorkommnisse an der Demonstrationsfront. Etwas Distanz ist hilfreich:
Erst wenn die Nebel aus Tränengas und Erfolgspropaganda
verfliegen, klärt sich der Blick fürs Geschehen. |
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Drei
Momente seien aus dem Medienrauschen der frühen
Nach-Gipfel-Stunden herausgegriffen, weil sie symptomatisch für
die Gesamtsituation sind. Erstens: Der Gipfel wird beim Gros der
Auslandpresse deutlich skeptischer bewertet als im Durchschnitt der
deutschen Inlandspresse. Zweitens: George W. Bush bezeichnete Wladimir
Putins Kooperationsangebot in Sachen Raketenabwehrschild in
Heiligendamm noch als „interessant“, hielt aber bereits
Tags darauf in Polen ungerührt fest am eigenen Schild dort und in
Tschechien. Drittens: Die nach den Rostocker Krawallen am Samstag vor
Gipfelbeginn verbreiteten Zahlen über Verletzte und
Sachschäden haben sich inzwischen als Übertreibung
herausgestellt. SKEPTISCHE AUSLANDSPRESSE „Der Berg kreißte und gebar eine Maus“ bilanziert die italienische Zeitung „La Repubblica“ den Gipfel. Frankreichs „La Tribune“ spottet über ein „kleines Satzteilchen“ im Klimaschutz-Dokument, „das zudem jeder morgen nach seinem Gusto interpretieren kann“. Gemeint ist die Formulierung, wonach die G-8-Staaten die Verringerung der CO2-Emissionen um 50 Prozent bis 2050 „in Betracht ziehen“ wollen. Der schweizerische „Tages-Anzeiger“ analysiert: „Was die Mächtigen als Erfolg verkaufen, dient primär der Gesichtswahrung.“ Die Zeitung „Der Standard“ (Österreich) nennt das Gipfelergebnis in Sachen Klimaschutz „eine recht schwache Ansage für acht der wirtschaftsstärksten Staaten der Erde“. Besonders interessant ist die Einschätzung des „Daily Telegraph“: Für das britische Blatt hat das Einschwenken Bushs auf einen vagen Klimaschutzprozess unter dem Dach der UN gar nichts mit dem Gipfel zu tun, sondern mit dem wachsenden Druck, den die amerikanische Gesellschaft in dieser Frage auf ihren Präsidenten ausübt. In den deutschen Medien klingen die ersten Gipfel-Bilanzen vielfach ganz anders: Da ist von „Durchbruch“, von „Erfolg“, von „großen Fortschritten“ die Rede, die allesamt dem Geschick der Bundeskanzlerin zu danken seien. Bei eingehender Lektüre der offiziellen Gipfel-Dokumente beschleicht einen indes bald der Eindruck: Entweder war es der Gipfelregie zuvor gelungen, die Erwartungen etlicher deutscher Beobachter ins Bodenlose zu drücken, oder der schiere Traum von einem deutschen Erfolg auf der weltpolitischen Bühne hat ihnen die Feder geführt. UNVERBINDLICHE ABSICHTSERKLÄRUNGEN Substanziell beinhaltet die Gipfelerklärung jedenfalls nur spärlich Elemente, die über vielleicht gut gemeinte, aber unverbindliche Absichtserklärungen hinausgehen würden. Das ist, man mag es drehen und wenden, wesentlich weniger als Merkel ursprünglich hatte erreichen wollen. Es besteht aber, zumindest theoretisch, durchaus die Möglichkeit, dass die erklärten Absichten in einigen Jahren doch noch in praktische Politik einmünden. Deshalb besteht auch die Möglichkeit, wenigstens theoretisch, dass der Merkel-Gipfel sich irgendwann tatsächlich als Erfolg erweist. Auf dieser derzeit bloß spekulativen Basis kann sich nun jeder selbst eine Bewertung von Heiligendamm stricken. Sollten indes die diversen Absichtserklärungen der G-8-Granden von ähnlicher Ernsthaftigkeit sein wie Bushs Interesse an Putins Vorschlag in der Raketenfrage, es stünde schlecht um die späteren Erfolgsaussichten der Heiligendammer Konferenz: Diese „hoffnungsvolle Gipfelüberraschung“ währte gerade mal bis zur Ankunft von Bush in Polen – also bloß ein paar Stunden. Man muss die von der demonstrativen Freundlichkeit zwischen dem Russen und dem Amerikaner geweckten Hoffnungen wohl jener Kategorie von Gipfel-Gefühlen zurechnen, die die französische Zeitung „Liberation“ so beschreibt: „Hoffnung auf eine neue Ära , die sich schlicht und einfach Nach-Bush-Zeit nennt“. DIE WENDE AN DER DEMONSTRATIONSFRONT Was die Demonstrationsfront beim G-8-Gipfel angeht, steht auch in der Nachbetrachtung fest: Die aus den Reihen des „Schwarzen Blocks“ heraus begangenen Gewalttaten am Rostocker Samstag waren und bleiben kriminelle Akte und unentschuldbar. Daran ändert selbst die Tatsache nichts, dass sich im Nachhinein die in der ersten Hysterie vermeldete immense Höhe und Schwere der Personen- und Sachschäden als maßlos übertrieben herausstellten. Daran ändert im Grundsatz ebenfalls nichts, dass derzeit ermittelt wird, ob ein oder einige als Autonome verkleidete Polizeibeamte sich als Agent provokateur, als Aufwiegler betätigten. Allerdings ist das eine schwerwiegende Verdächtigung, die rasch und eindeutig geklärt werden muss. Fest steht ferner, dass die wuchtige Ablehnung von Gewaltexzessen der Rostocker Art durch die Öffentlichkeit und vor allem durch die erdrückende Mehrzahl der Demonstranten die Situation in den Folgetagen vollständig veränderte. Die Demonstrationen fanden zwischen symbolischem Protest und nicht ganz ordnungsgemäßem, aber eben auch nicht gewalttätigem zivilen Ungehorsam zu jener Funktion, die ihnen von den Veranstaltern ursprünglich zugedacht war: Ausdruck dafür zu sein, dass viele Menschen den G-8-Politikern in den zentralen Fragen einer ökologischen und sozial gerechten Weltpolitik weder trauen, noch ein Vorankommen zutrauen. ABSTRUSE VORSCHLÄGE Fest steht inzwischen auch: Die meisten Ratschläge von Außenstehenden an die Polizei nach den Rostocker Krawallen waren überflüssig bis absurd. Gummigeschosse? Da haben selbst Polizeifunktionäre dankend abgewunken. GSG 9 gegen gewalttätige Demonstranten? Sollen die Antiterror-Spezialisten etwa Rednertribünen stürmen, Lautsprecherwagen sprengen, scharf in die Menge schießen? Fehle nur noch die Mobilisierung der U-Boot-Flotte zwecks Einsatz im Rostocker Hafen, spöttelte der Moderator des „heute-journal“ treffend über solche Vorschläge. Die Polizei hat, was sie braucht – bisweilen mangelt es bloß daran, sie klug einzusetzen. Aber das ist eher eine Frage politisch-taktischer Führung als polizeilicher Ausrüstung. Andreas Pecht --------------------------------------------------------- Zu einer Analyse aus dem Vorfeld des Gipfels: ∇ 2007-06-01 Analyse: Heiligendamm - Demonstrieren ist unverzichtbarer Teil der Freiheit --------------------------------------------------------- |
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