Kritiken Theater | |||
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2007-04-01 Schauspielkritik | |
O
Täler weit, o Höhen Alexander Lang inszenierte Sternheims „Bürger Schippel“ in Wiesbaden als szenische Karikatur |
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ape.
Wiesbaden. Was nimmt ein Männerquartett schwer mit, das im
Wettstreit mehrfach den güldenen Lorbeer ersang? Das
Wegsterben
des ersten Tenors. Schwerer noch wird´s für das
verbliebene
Trio aus gutbürgerlichen Honoratioren, wenn es sich Ersatzes
halber mit einem Unterschichtler abgeben muss, einem unehelichen
Bastard zumal. Der heißt in Carl Sternheims Stück
Paul
Schippel, will als Lohn für sein Mitsingen die Klassenschranke
überspringen, will gesellschaftlichen Umgang mit den
Sangesbrüdern und noch ein bisschen mehr mit Thekla, der
Schwester
des Dirigenten. |
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Deshalb heißt das Stück „Bürger Schippel“, handelt einerseits vom Aufsteigenwollen des deutschen Proletariers, andererseits von Standesehre, Standesstolz mitsamt deren Falschheit und Verkäuflichkeit bei des Kaisers deutschem Bürgertum. Auf Thekla werfen noch zwei andere Sangesbrüder ein Auge und der Fürst (Sebastian Muskalla) sogar seinen erlauchten Leib. Weshalb es sich bei dem Stück um eine Komödie handelt. Die trug in der Urschrift als Titel noch die Liedzeile „O Täler weit, o Höhen“. Was man durchaus hätte beibehalten können, denn der teutschen Sangeskunst wird auf der Bühne reichlich zugesprochen, seit „Bürger Schippel“ dort 1913 angekommen ist und bis 1933 ein Hit war. Dieser Tradition treu bleibt auch die Inszenierung von Alexander Lang fürs Staatstheater Wiesbaden: Hanns Jörg Krumpholz (vornehmer Goldschmied), Wolfgang Böhm (fürstlicher Beamter), Benjamin Krämer-Jenster (Druckereinbesitzer) und Tobias Randel als langhaar-zauseliger Schippel pflügen launig und versiert, indes selten schön durchs historische Sängerbund-Repertoire. Wo lässt man eine solche Geschichte spielen? Stefan Fernau baut ihr in Wiesbaden eine liebliche Felsgrotte, durch die wir hinausschauen auf eine sich talwärts neigende Waldeslichtung. Aus der Grünzeug-Tapete trällern bisweilen Vögelein ihre Weisen herüber. Passend dazu die Kostüme: Gehrock, Vatermörder, Zylinder, Gamaschen, die Damen (Evelyn M. Faber, Eva Maria Damasko) eine Schärpe unterm Busen und im Hütchen eine Feder. Dies spielt in der späten Romantik, dort, wo sie vom schwärmerischen Weltgeist zur Germania-Tümelei geworden. Schon Sternheim trug in karikierender Manier dicke auf: Er ließ kein gutes Haar an jenem Geist, aus dem viel Vaterländisches, aber nichts Gutes erwachsen konnte. Alexander Lang macht aus dem Stück nun vollends eine Karikatur, indem er das Ensemble Ton, Bewegung, Habitus jener dünkeligen Gesellschaft punktgenau ansteuern und kräftig überziehen lässt. So landet das auf allen Positionen engagierte Komödianten-Spiel rasch beim Kabaretttheater a la Nockerberg. Ein hübscher Spaß mit lustigem Gesinge, dem ein bisschen die Sternheimsche Giftigkeit abhanden gekommen ist. Was daran liegen mag, dass auch der Sängerbund nicht mehr Kaiser und Vaterland dienstverpflichtet ist. Andreas Pecht |
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