Kritiken Theater | |||
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
2007-03-04 Ballettpremiere: | |
Ein
wunderschönes Programm XXXIII beim ballettmainz Dreiteiliger Abend mit den Uraufführungen "Space.Distance.Measure" von Philipp Egli, "Pathétique" von Martin Schläpfer und mit der deutschen Erstaufführung von Hans van Manens "Frank Bridge Variations" |
|
ape. Mainz. Mit der
jüngsten Produktion des Staatstheaters Mainz hat die
rheinland-pfälzische Theatersaison 2006/07 ihren bisherigen
künstlerischen Höhepunkt: Programm XXIII des
ballettmainz. Die deutsche Erstaufführung einer Choreografie
von Altmeister Hans van Manen, Uraufführungen von Philipp Egli
und vom Mainzer Compagnie-Chef Martin Schläpfer fügen
sich zu einem außerordentlichen Tanzkunstereignis. |
|
Unter all den wunderbaren Abenden beim ballettmainz, ist das neue, das 23. Programm vielleicht eines der schönsten. Der 18-köpfigen Compagnie verlangt der dreiteilige Abend ein gewaltiges Pensum ab. Denn alle drei Teile sind opulente Ballette. Und alle drei sind sie dicht gewoben aus oft schwersten Figuren und komplexen Tempoformationen, die von einem Höchstmaß kollektiver Akkuratesse leben. Das tänzerische Vermögen, das die Truppe bei der umjubelten Premiere am Samstag im Staatstheater zeigte, ist ein Grund, warum der im Land sonst bisweilen überstrapazierte Begriff Kultur-Leuchtturm im Falle ballettmainz volle Berechtigung hat. Ein Neuling in der langen Reihe internationaler Choreografen, die als Gäste mit dem ballettmainz arbeiteten, ist Philipp Egli, Ballettchef des Theaters St. Gallen. Sein „Space.Distance.Measure“ ist eine frische, quirlige Arbeit über Raum, Entfernung, Maß. Sie hebt an mit verlorenen Einzelmenschen, die ihrer Leiber nicht Herr sind. Zu Violinsonaten von Eugéne Ysaye (Solist auf der Bühne: Ingolf Turban) und der drängenden Musica Celestis von Aaron Jay Kernis verdichtet sich anfängliches Humpeln, Stolpern Fallen zu einem faszinierenden Tanzfluß. Mal kreist die Compagnie wie ein großer Wasserwirbel in dem sich zugleich ständig kleine Wirbel, Wellen, Spritzer ausformen und wieder zerfallen. Mal formen sich, Eiskristallen ähnlich, geometrische Muster. Übergänge sind kaum wahrnehmbar, alles fließt. Ganz anders der zweite Teil des Abends. Hans van Manens „Frank Bridge Variations“ zur gleichnamigen Komposition Benjamin Brittens für Streichorchester wird auf halber Spitze getanzt, atmet formal dennoch klassische Strenge. In ihrem Streben nach Perfektion haftet den nahtlos verbundenen neun Teilen des Werkes beinahe so etwas wie arrogante Kälte an. Aber eben nur beinahe: Die makelose Oberfläche gründet auf die Hoffnung, dass Menschen, Paare sich bedingungslos aufeinander verlassen können (sollten). Eine großartige Arbeit ist schließlich Martin Schläpfers erste choreografische Auseinandersetzung mit Tschaikowski; hier dessen letzter Sinfonie, der sechsten, „Pathétique“. Schläpfer verwebt tänzerische Musikmalerei und Auseinandersetzung sowohl mit der tragischen Biografie wie mit dem romantischen Ballettschaffen des Komponisten. Obendrein greift er dessen „Programm“ für die sechste auf: Wanderung durch eine Traumwelt, die „aber für alle ein Rätsel bleiben soll“, wie Tschaikowski sich ausdrückte. Die Tänzer spielen ausgiebig mit den Ausdrucksformen des romantischen Handlungsballetts: Pantomimen, Gestikpathos, Manierismen, ja sogar Spitzentanz werden formvollendet geboten. Freilich auch bewusst übertrieben und alsbald mit Mitteln des neoklassisch-modernen Bewegungsrepertoires verfremdet. Das ist angedeutete Persiflage, die indes profane Veräppelung meidet. Denn humoriges Spiel und tragischer Ernst liegen hier eng beieinander. Vieles, vor allem das traurige Leben Tschaikowskis betreffend, bleibt beim ersten Anschauen rästelhaft. Was den Genuss dieses Balletts nicht schmälert, denn in seiner vielgestaltigen Schönheit ist es ein ästhetisches Erlebnis per se. Ein Novum, das angesichts des Ergebnisses keine Ausnahme bleiben darf: Erstmals dirigiert Catherine Rückwardt ihr Mainzer Staatsorchester bei einem Schläpfer-Ballett. Klar, warm, sauber tönt es aus dem Graben, tragische Tiefen fein auslotend, dramatische Höhen mit Herz und Verstand erklimmend. Das wäre am Samstag auch ein einnehmendes Konzertereignis gewesen – so wurde es Teil eines betörenden audiovisuellen Gesamtkunstwerkes. Andreas Pecht --------------------------------------------------------- Kritiken vorheriger Produktionen des ballettmainz: ∇ 2006-11-11 Ballettkritik: Programm XXII beim ballettmainz - van Manen und Nick Hobbs stark ∇ 2006-05-14 Ballett: Programm XXI des ballettmainz mit neuen Choreografien von Schläpfer und Nick Hobbs ∇ 2006-02-13 Ballett: Neue Choreografien von Martin Schläpfer und Nils Christe (Programm XX) ∇ 2005-11-11: Ballett Ballettmainz XIX Weitere Kritiken zur Tanzsparte in Mainz, Bonn, Köln, Wiesbaden, Trier über Titelseite von www.pecht.info unter Archiv / Kritiken/ Theater --------------------------------------------------------- |
Diesen Artikel weiterempfehlen | ![]() ![]() |
was ist Ihnen dieser Artikel und www.pecht.info wert? |
|
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |