Kritiken Theater | |||
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2007-02-08 Schauspielkritik: | |
Mit sensiblem Bühnenspiel zu großer Dramatik Drei junge Regisseure inszenierten drei neue Stücke von Neil LaBute in Bonn |
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ape. Bonn.
Zwei deutschsprachige Erstaufführungen und eine Uraufführung,
für die Werkstatt der Bühnen Bonn zur
100-minütigen Aufführung gepackt. Drei Einakter des
43-jährigen Amerikaners Neil LaBute von drei Regisseuren
eingerichtet. Und das mit bemerkenswertem Fingerspitzengefühl
für entscheidende Zwischentöne zwischenmenschlicher Dramatik.
Im Ergebnis ein starker, dichter, berührender Abend in kleinen
Formaten. |
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Wut,
Zorn, Verletztheit, Verzweiflung, Entsetzen: Nebenan in Koblenz werden
zu deren theatralischer Darstellung gern Schreien, Toben,
Mobiliarzertrümmerung bemüht. Es geht auch ganz anders,
beweist jetzt in Bonn ausgerechnet ein Trio aus der vermeintlich
„wilden“, jüngsten Regiegeneration. Denn alle drei
Inszenierungen bestechen mit menschlicher Tragik, die sich aus einem
sensibel abgestuften Pianissimo des darstellenden Spiels herleitet. Jens Kerbel reduziert „Land der Toten“ auf die aus allgemeinem Dunkel herausgeleuchteten Gesichter von Birte Schrein und Andreas Maier. Die beiden berichten von einem Tag, an dem er zu einem Frühstück mit dem Chef „muss“, während sie eine Abtreibungsklinik aufsucht. Zwei Sichten auf einen Zeitraum ergeben zwei völlig verschiedene Gefühlswelten. Der Mann kommt dabei nicht gut weg. Was der Frau bevorsteht, dann widerfährt, ist für ihn bloß eine Störung im geschäftsmäßigen Ablauf seiner Lebenprioritäten. Maier in einer enervierenden Mannes-Beiläufigkeit eingeschlossen – mit Verständnis für „diese Psycho-Kiste bei den Frauen“. Schrein verloren zwischen Ertragenwollen und Absturz in die Leere. Nur zwei Gesichter, nur ein paar Sätze – große Tragödie. Der dritte Einakter des Abends, „Helter Skelter“, kann als Variation des ersten gesehen werden. In Jennifer Wighams Inszenierung übernimmt wieder Birte Schrein die Frauenrolle: Schwanger ist sie, entdeckt beim Weihnachtseinkauf, dass ihr Mann ein Verhältnis mit ihrer Schwester hat. In einem Restaurant stellt sie ihn zur Rede, bricht zusammen, als er ihr gesteht, diese Liebschaft bestehe schon seit sechs Jahren. Diesmal ist die Szenerie im neutralen Spielraum von Gesine Kuhn reduziert auf das Gespräch an einem Tisch mit zwei Stühlen. Lachen macht, wie der Mann sich in völligem Unverständnis für das Ausmaß ihrer Verletztheit um Kopf und Kragen redet. Gut findet er nicht, was er getan. Aber Schuldzuweisungen machten ja keinen Sinn, vielmehr müsse man das Geschehene als Chance zum Neuanfang „für ein besseres Leben“ begreifen – „in welcher Konstellation auch immer“. Während York Dippe männliche Borniertheit und Rücksichtslosigkeit hier etwas zu demonstrativ aufträgt, brennt seine Partnerin neurlich ein Feuerwerk fein differenzierter Empfindungsausdrücke in Sprache, Mimik, Körperausdruck ab. Fassungslosigkeit, Schmerz, Hass reifen zu einer „großen Tat“: Selbstentleibung mittels Essbesteck als konsequenter Schlussstrich und vom Mann so gefürchtetes Skandalon. Zwischen „Land der Toten“ und „Helter Skelter“ ein Stück ganz anderer Art. „Ich mag dich wirklich“ heißt es und führt zwei Internet-Bekannte erstmals leibhaftig zusammen. Unter Stefan Heisekes Regie gickelt sich Birte Schrein in ein vermutlich tödlich ausgehendes Rendezvous mit dem humorig-lakonisch auftrumpfenden Roland Riebeling. Der springt zwischen Handlung und wie improvisierter Zwiesprache mit dem Publikum hin und her. Was ist Wirklichkeit, was Theater? Wann wird Mord gespielt, wann findet er statt? Ein raffiniert perfides Spiel zwischen Illusion und Wahrheit – wie der ganze Abend leicht angestimmt, subtil durchgeführt, gedankenvoll nachklingend. Andreas Pecht |
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