Kritiken Theater | |||
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2007-01-30 Schauspielkritik: | |
Absurder
Ehebruch mit einem Vierbeiner Edward Albees "Die Ziege oder wer ist Sylvia?" am Stadttheater Koblenz |
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ape. Koblenz.
In den Kammerspielen des Stadtheaters Koblenz hatte jetzt ein ebenso
befremdliches wie interessantes Stück Premiere. Es führt den
seltsamen Titel „Die Ziege oder wer ist Sylvia?“ und stammt
von Edward Albee. Das ist jener US-Dramatiker, der das
Theater
in der frühen zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor
allem mit seinem Drama „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“
stark beeinflusste. Darin ging es um die schmerzhafte Desillusionierung
vermeintlichen Eheglücks. Dies Thema kommt nun in dem 2002
uraufgeführten Stück vom Ehemann, der eine Ziege liebt, in
neuer Variation auf die Bühne. Die verbindet absurdes und
realistisches Theater. |
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Anfangs
von Glucksen machender, skurriler Humorigkeit, wird der Dreiakter zum
Ende hin gallenbitter: Nach einer Aussprache zwischen Architekt Martin
und Gattin Stevie ist die moderne Design-Einrichtung ihres Wohnzimmers
verwüstet, ward Ziege Sylvia die Kehle durchgeschnitten und
liegt die viele Jahre angeblich so ideale Ehe völlig in
Trümmern. Ausweg? Keiner. Happy End? Fehlanzeige. Das Premierenpublikum honorierte die knapp zweistündige Koblenzer Aufführung mit starkem Beifall. Den der Rezensent für die vordere Hälfte von Verena Plümers Inszenierung gerne teilt. Denn subtil folgt sie dem Spannungsaufbau der Vorlage, lässt die Atmosphäre in feinen Stufungen von fast boulevardesker Beziehungskomödie zur Psychotragödie mutieren. Wirklich gut gefällt über diese Strecke Werner Tritzschler in der Rolle des 50-jährigen Stararchitekten Martin. Bemerkenswert, wie er mit kleinteiligen, dezenten, oft halb versteckten oder nur angedeuteten Spielmitteln sich vom zerstreuten Middlife-Typen über diverse Zwischenstufen zum Angeklagten vor dem heimischen Familiengericht entwickelt. Ehebruch per Sodomie wird ihm von Stevie (Christiane Lemm) und dem schwulen Sohn (Mirek Machnik) zur Last gelegt. Draufgekommen sind sie ihm, weil Familienfreund Ross (Frank Büssing) per Brief ausplauderte, was Martin ihm im Vertrauen gebeichtet hatte. Um Unzucht mit Tieren geht es allerdings nur vordergründig. Albee benutzt das unappetitliche Sujet als Katalysator in einer Versuchsanordnung, die die Haltbarkeit einer scheinbar bewährten Beziehung unter erschwerten Innenbedingungen austestet. Der Normabweichung Martins ist sie nicht gewachsen – dass er die Ziege auch noch ehrlich liebt, macht die Sache bloß schlimmer. Stevie angeekelt, verletzt und – dies vor allem – vor den nicht mehr reparierbaren Trümmern ihres Lebensglückes stehend. Martin nicht begreifend, das seine gleichzeitige Liebe zur Ziege und zu Stevie nicht verstanden wird. Wo Verständigung unmöglich wird, bricht sich Gewalt Bahn, in Wort und Tat. Weil jedoch in Koblenz auf der Eskalationsleiter wieder einmal ein paar Ausdrucksmittel unterhalb letzter Extreme fehlen, wird die Inszenierung zu früh zu laut. Das Ensemble spielt sich engagiert die Seele aus dem Leib. Aber die Strecke, über die hier maximale Aggressionsäußerung verlangt wird, ist in der zweiten Hälfte leider ermüdend lang. Andreas Pecht |
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