Kritiken Theater | |||
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2006-12-03 Schauspielkritik: | |
Ein nervöser Nachfahre von Millers Handlungsreisendem Annegret Ritzel inszenierte Deutschsprachige Erstaufführung von Patrick Marbers "Howard Katz" am Stadttheater Koblenz |
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ape. Koblenz. Ich will leben. Sag mir, wie das
geht: Leben.“ Dies sind die letzten Worte der Titelfigur in Patrick
Marbers Stück „Howard Katz“. Zu Anfang hatte der Mann noch Selbstmord
begehen wollen. Dann kommen die Erinnerungen. Zuerst die an den
Niedergang des vormals erfolgreichen Agenten für TV-Personal im 50.
Lebensjahr. Kurz vor Schluss, durchgerutscht in die Gosse, erinnert er
sich für Sekunden an jenen Glücksmoment als er Vater geworden war und
vorübergehend Erfüllung gespürt hatte. Da ist aller Hader mit Gott, der
Welt und sich selbst urplötzlich fortgespült. |
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Auch Dank der Kontakte seines vormaligen Dramaturgen Stefan Kroner
erhielt das Stadttheater Koblenz den Zuschlag für die deutschsprachige
Erstaufführung. Annegret Ritzel inszenierte aus den vielen kurzen
Szenen der Vorlage ein zweieinhalbstündiges Dramenmosaik. Siegfried E.
Mayer designte ein weitläufiges, elegantes Hochhaus-Interieur als
Kulisse. Die bietet interessante Spielräume, muss aber auch
Gossenszenen aufnehmen – ein Problem, das selbst Ritzels
Lichtbemühungen nicht lösen. Gera Graf steuert zum Spiel in Fülle
modische Eleganz bei, die nicht einmal vor Howards Bettlerkluft halt
macht. „Howard Katz“ vom britischen Autor des Bühnenhits „Hautnah“ ist kein schlechtes Stück, aber auch kein Überflieger. Howard ist ein Nachfahre von Arthur Millers Handlungsreisendem: Er hat die Gesetze des Kapitalismus mit Löffeln gefressen, wird nun seinerseits von ihnen aufgefressen. Katz handelt mit Menschen, wurde im Mediengeschäft zum Zyniker. Ein nervöser, aufbrausender, hysterischer Typ, dessen Rede zum Ordinären neigt. Geldgeil, erfolgsgeil, heutig eben. Vom Gedankengehalt her ist das Stück im Kern sehr konservativ. Es führt zwar vor, was der Kapitalismus mit den Menschen macht. Kommt aber schließlich statt zu Kapitalismuskritik bloß zur moralischen Verurteilung der Betroffenen. Dazu gehört auch Howards Bruder Bernie (Werner Tritzschler), der auf dem Altar der Marktanpassung entseelt, was über Generationen Zentrum der jüdischen Katz-Familiensippe war: ein Friseurladen. Der moralischen Sicht entspricht die vom Autor angebotene und im aktuellen Gesellschaftsdiskurs populäre Problemlösungs-Ideologie: Finde zurück zu den religiösen Wurzeln und erfahre die Erfüllung von Familienglück. Auf der Koblenzer Bühne Eleganz überall: Das ist bekannte Ritzel-Ästethik. Fast eine eigene Schule möchte man nennen, wie die Regisseurin in ihrer Spätphase Menschenkonflikte inszeniert: Als gleichmütig dahinströmender Lebensfluss, aus dem urplötzlich Eruptionen von Aggression hervorbrechen. Dann immer wird es laut in Koblenz, gibt´s aufgesetztes Geschrei, Gezeter, Gekreisch. Diese Systematik erinnert einen an gruppentherapeutische Konfliktstrategien. Da muss jetzt auch Markus Boysen durch. Der prominente Gastdarsteller für den Howard kommt – wie Madeleine Niesche als TV-Moderatorin oder lethargische Hure ebenfalls – in einigen leisen Momenten dazu, sein Können zu entfalten. Ansonsten bleibt er sichtlich unter seinen spielerischen Möglichkeiten. Dafür kann er kaum etwas, das rührt von der Ritzelschen Schule der auf zwei Extreme reduzierten Psychologien und zwischenmenschlichen Umgangsformen. Diese Art Theater wird, mit Verlaub, in seiner ständigen Koblenzer Wiederkehr allmählich ziemlich langweilig. Andreas Pecht |
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