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2006-09-16 Geistesleben: | |
Einige Thesen zu Faust, Faustus und der deutschen Romantik Rüdiger Safranski, Gerd Achenbach und Dirk Joeres diskutierten beim rheinland-pfälzischen "3Klang"-Festival |
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ape.
Es ist einer der großen Genüsse im Kulturleben, wenn
Gelehrte über spannende Themen derart sprechen, dass
interessiertes Allgemeinpublikum folgen kann. So jetzt geschehen bei
den drei Abenden des Festivals „3Klang“ , der
rheinland-pfälzische Kultursommer mit den Philosophen Gerd
Achenbach und Rüdiger Safranski sowie dem Dirigenten/Pianisten
Dirk Joeres in Hachenburg, Bad Marienberg und Westerburg. Eine
gegenüber dem Vorjahr in Koblenz deutlich verbesserte
Aufgeräumtheit in Konzeption, Diskussion und Konzertteilen
bescherte dem zweiten Festival-Jahrgang im Westerwald mehr
Besucher und mehr Applaus. |
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Zentrum
der für „3Klang“ typischen Verzahnung von Literatur,
Philosophie und Musik war heuer die deutsche Romantik, gerahmt
von Goethes „Faust“ als Anbahnung und Thomas Manns
„Doktor Faustus“ als Abrechnung der Epoche. Philosoph Gerd
Achenbach und Musiker Dirk Joeres bestritten die Gesprächsteile
zweier Abende. Beim dritten kam der Philosoph Rüdiger Safranski
hinzu. Aus der Vielzahl von Ideen, Thesen, Einwürfen bei den drei
Veranstaltungen nachfolgend einige der interessantesten. Goethes „Faust“ behandelt Phänomene, die Grundmuster unserer Tage geworden sind. Wer ist der radikal Aufgeklärte im Stück, der kühle Denker, der Rationalist? Mephisto ist´s, der Teufel. Zugleich stellt er sich frech als Moralist vor, der „stets das Gute schafft“. Und: Er verkörpert auf vollkommene Weise das moderne Service-Prinzip, erklärt Achenbach. Das hebt an mit der Beflissenheit des Teufels: „Was steht dem Herrn zu Diensten?“. Das kulminiert in dem Versprechen: Du kriegst, was du willst. Womit wir beim Credo heutiger Konsumwelt und bei der Maxime der Ellbogengesellschaft wäre. Das sind, so Achenbach, Prinzipien des Kapitalismus, von denen weitere im „Faust“ als Formelemente wirken: Permanente Eile und Sucht nach immer Neuem. Am Ende aller Versuchungen steht freilich das große „Ätsch“: seelische Leere inmitten vermeintlichen Reichtums. War bei Goethe ein Gelehrter, ist bei Thomas Mann ein Komponist das Opfer. „Durchschnittsdeppen sind für den Teufel nicht interessant“, sagt der Philosoph. Und die Literaten interessiert auch mehr, warum die Klugen und Kreativen schwach werden. Thomas Mann wirft in seinem 1946 erschienenen Romans anhand „eines sündigen Künstlerlebens“ die Generalfrage seiner Epoche auf: Wie war es möglich, dass ein ganzes Volk, und zwar das der Dichter und Denker „zum Teufel geht“? Beethovens letzte Klaviersonate (op. 111) spielt im „Doktor Faustus“ eine große Rolle. In beiden Kunstwerken steht am Ende nicht moralische Verdammung, was für die Kälte des Teufels typisch wäre. Manns Roman schließt mit den Worten: „Gott sei eurer armen Seele gnädig, mein Freund, mein Vaterland“, Beethoven verklingt quasi mit einer Bitte um Vergebung, wie Florian Uhlig im Konzertteil demonstriert. Zu Gehör kommen dort auch zwei Klavierstücke von Schönberg. Opus 19 dokumentiert den Fortschritt der Moderne zur freien Atonalität, Opus 23 ihre nachherige Hinwendung zum gestrengen Reglement der 12-Ton-Technik. Unfreiheit gebiert Freiheitsdurst, Freiheit gebiert Sehnsucht nach Ordnung. Die Geschichte als Abfolge gegenläufiger Bewegungen? Im Gespräch über „die Deutschen und ihre Romantik“ definiert Safranski Romantik als „Fortsetzung der Religion mit ästhetischen Mitteln“ und verweist auf Wagner, dessen „Siegfried-Idyll“ vom Orchester Westdeutsche Sinfonia am letzten Abend gespielt wurde. Die Aufklärung hatte das Mittelalter überwunden, aber die Bedeutung des Seele-Aspektes aus den Augen verloren. Die Romantik wollte die Leib-Seele-Ganzheit wiederherstellen und so die Aufklärung komplettieren. Hieraus und aus dem erstmaligen Begreifen, dass Leben geschichtlicher Strom ist, bezog der Aufbruch, den die Romantik darstellt, ihre Energie. Die „Poetisierung der Welt“ (Schlegel), die Erhöhung des Einfachen zum Erhabenen (Novalis), die Entdeckung der „Heimat“ als ideelles Versprechen, die Geburt der Nation aus der (französischen) Revolution….: Die Romantik war ein gewaltiges Drängen, Erkennen – und bald auch Erschrecken vor den Abgründen, die in der Menschenseele und an ihrem Weg in die Zukunft lauern. Andreas Pecht --------------------------------------------------------- Artikel zu "3Klang" im Vorjahr: ∇ 2005-04-26: Kunst und Forschung verbinden --------------------------------------------------------- |
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