Kritiken Theater | |||
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2005-09-20: Theater | |
"Glückliche Tage" in der Tonne Samuel Becketts verwirrender Zweiakter tanzt in Koblenz aus der Reihe |
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ape. Koblenz.
"Glückliche Tage" heißt der kleine Zweiakter von Samuel
Beckett aus dem Jahr 1961. Der Autor verweigerte Deutungshilfen
für das seltsame Stück kategorisch. Und weil es sich kaum in
bekannte Schubladen stecken lässt, erfolgt häufig der
Rückgriff auf die Bezeichnung "absurdes Theater". Das führt
in die Irre, denn weniger das Stück ist absurd, eher das, wovon es
handelt: das Leben - vermutlich. |
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Die
Inszenierungsgeschichte zeigt die etwa 50-jährige Winnie mal in
einen Grashügel, mal in einen Sandhaufen eingegraben. Bis
über die Hüfte im ersten Akt, bis zum Hals im zweiten. Da
steckt sie unter gleißendem Licht vor endlosem Horizont fest und
redet, redet, redet. So sah man es oft. Die jetzige Einrichtung von
Werner Tritzschler für die Kammerspiele des Theaters Koblenz tanzt
aus der Reihe. Was legitim ist. Selbst wenn wir das Wie nicht ganz
begreifen. Was der Fall ist. Hier steckt Winnie in einer Tonne, die an eine Fastnachtsbütt erinnert, bloß dass diese außer der Frau auch noch Sand enthält. Ein Verweis auf Becketts "Endspiel", wo Nell und Nagg in Mülltonnen leben? An Stelle des Horizonts ein von der hinteren Bühnendecke zur Rampe fein gefältelt sich ausbreitender roter Samtteppich. Dergleichen schafft Varieté-Atmosphäre und ist so befremdlich wie es eine belebte Straße in Becketts "Warten auf Godot" wäre. Winnie also steckt in der Bütt, will sagen: Claudia Felke steht in der Tonne. Und redet, redet, redet. Womit die Befragung des Äußeren ein Ende hat - denn Felkes Spiel mit schon begrabenem Leib ist ein Bravourstück an Vielseitigkeitsausdruck; auch wenn passionierte Beckett-Fans sich über "zu saftiges Komödiantentum" mokieren mögen. Von Berta Drews ist überliefert, sie habe die Winnie bei der Deutschen Erstaufführung in Berlin teils regelrecht ordinär gespielt. Später wurden mehr intellektuell angehauchte Frauen verbuddelt. In Koblenz kämpft nun eine Mischung aus ermüdeter Soubrette und Else Straatmann um letzte Quäntchen Glück in verfahrener Lebenslage. Die Lage ist maßgeblich, nicht welcher Typus Frau drinsteckt. Anfangs hilft neben dem Reden noch das Hantieren mit Spiegel und Kamm über den Tag. Nachher bleibt"s beim Reden, ein bisschen Grimassieren anbei. Reden worüber? Das Momenthafte, konkret wie allgemein; das Vergangene, vage und immer irgendwie schön. Hinter der Tonne hockt Winnies Mann (Frank Büssing). Spricht in zwei Stunden nur 45 Wörter, die wenigsten zu ihr, sie aber Tausende zu ihm. Seinen Blick sucht sie, ein Mal noch. Tritzschlers Regie verweigert diese fadenscheinige Tröstung, ebenso den Notausgang namens Brownie - der sonst so wichtige Revolver bleibt ein Requisit unter anderen. Lebendig begraben im Hier und Jetzt. Warum? "Solche Fragen sind Quatsch", sagt Winnie. Preist stattdessen den Tag glücklich, sobald der Mann nur einen Ton von sich gibt. Das Übrige mag sich jeder selbst denken, dazu haben wir ja Beckett. |
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