Kritiken Theater | |||
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2005-03-17: Theater | |
"Räuber" fallen unter die Schüler Jugendliche Zuschauer feiern 90-minütiges Szenenfragment |
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ape. Köln.
Das war zu erwarten: Friedrich Schillers " Räuber" setzen im 200.
Todesjahr des Autors den Rahmen des Erinnerns, auch in der hiesigen
Großregion. Nach Frankfurt brachte jetzt das Schauspiel Köln
dieses früheste Stück des Marbachers in einer 90 Minuten
kurzen Inszenierung auf die Bühne. Deren sehr heutige Les- und
Spielart nimmt vor allem das jugendliche Publikum für den
Klassiker ein. |
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Kichern,
Plappern, Witzereißen ... Der erste Bühnenspot muss
etwas länger stehen, bis Ruhe eintritt. Spiegelberg muss etwas
länger warten, bis er mit stählern schnappenden Sätzen
seine Vorstellung vom kruden Glück brachialer deutscher
Mannhaftigkeit proklamieren kann. Das große Kölner
Schauspielhaus ausverkauft - etliche Schulklassen bringen für die
zweite Vorstellung der "Räuber" nach der Premiere jene Scharen
zusammen, die nun erkunden wollen, was vor mehr als 220 Jahren einer zu
sagen hatte, der kaum älter war als sie: 19-jährig hatte
Schiller mit der Arbeit an seinem Erstling begonnen. 35 Jahre ist der tschechische Regisseur Dusan David Parizek jung, der das Stück in Köln auf rekordverdächtige 90 Minuten gekürzt hat. Vielleicht zwei Dutzend schnell geschnittene Szenen müssen genügen, um zu transportieren, was er von den ausgreifenden fünf Akten des Originals heute für wichtig hält. Das Spiel ist völlig entnaturalisiert. Die Einheitsbühne von Olaf Altmann gaukelt zu keinem Zeitpunkt auch nur entfernt Wirklichkeit vor: Mehrere blank-hölzerne Ebenen bilden stufig sich nach oben verjüngend eine Art Gericht oder Tribunal; eine junge Zuschauerin sprach von Altären. Beides passt, denn es geht um Anklage, Opfer und (verweigerte) Vergebung. Worum es nicht geht, ist, eine Geschichte zu erzählen. Da hält es Parizek wie sein Frankfurter Schiller-Kollege Kastenmüller oder wie eben Stefan Otteni in Bonn mit seinem "Woyzeck": Wer mitkommen will, muss die Story schon kennen. Die Schüler in Köln haben damit kein Problem, sie folgen diesen "Räuber"-Teilen mit großer Konzentration. Inszenatorische Manierismen, über die der passionierte Zuseher eher hinwegzusehen neigt, werden allerdings sofort bestraft: Gelächter greift um sich, wenn zum x-ten Mal aus unerfindlichem Grund einer der Protagonisten das Oberhemd aus- oder wieder anzieht. Mag die Inszenierung auch noch so sparsam erzählen, mögen die Protagonisten im Äußeren noch so zurückgenommen agieren: Die psychologischen Durchleuchtungen der durchweg gegenwärtigen Kernfiguren und einiger ihrer Beziehungen zueinander fallen dennoch sehr genau aus. Spiegelbergs perfide Lust an der schieren Gewalt erfährt bei Lukas Holzhausen eine kaltschnäuzige Beiläufigkeit sondersgleichen. Sven Walsers Darstellung des innerlich zerrissenen Räuberhauptmanns Karl gerinnt in der Begegnung mit der geliebten Amalia zum großen, weil ganz unpathetischen Ausdruck vergeblichen Sehnens. Herzstück des Abends ist indes die Beziehung zwischen Franz und der um Karl trauernden Frau. Sebastien Jacobi formt in Anzug nebst Krawatte einen Mischtypen aus weltläufigem, verschlagenem Karrieristen und Kindskopp. Der muss an einer Amalia scheitern wie Vanessa Stern sie spielt: Äußerlich eine unscheinbare Maid im dunklen Kostüm, gefasst, ernst, aber innerlich von kompromissloser Geradlinigkeit. Sie weint und ergreift zugleich den Degen, um erhobenen Hauptes von sich zu weisen, was ihr unerträglich ist. Parizek kommt für seine "Räuber" nicht nur mit einfacher Spielfilmlänge aus. Er braucht auch nur noch sieben Personen. Schillers großes Schauspiel wird in Köln zum Kammerspiel. Das erhellt in seinen szenischen Fragmenten manche Tiefenebene des Stückes mit erstaunlicher, unsereins betreffender und betroffen machender Wirkkraft. Und es beweist, dass sich die Brücke zum jungen Zuseher von heute schlagen lässt - auch ohne die auf deutschen Bühnen fast obligat gewordenen Rock- und Punkbands. Es gab reichlich lautstarken Beifall. |
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