Kritiken Theater | |||
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2005-02-28: Ballett | |
Liebe und ihre Verschlingungen Ein Abend der Kontraste und Nick Hobbs als neues Choreografen-Talent |
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ape. Mainz.
Klassische Strenge von Balanchine zum Einstieg, Verwirbelungen der
Liebe von Schläpfer zum Abschluss. Dazwischen eine erstaunlich
erwachsene Nachwuchs-Choreografie von Nick Hobbs sowie eine einsame
Tänzerin beim Erkunden nie für möglich gehaltener Formen
des Körperausdrucks. Mit seinem neuen Programm XVII liefert das
ballettmainz einen zweieinhalbstündigen, an Kontrasten reichen
Abend ab. |
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Von
da kommen wir, und dort sind wir angelangt. Diese Klammer könnte
man um das neue Ballett-Programm des Staatstheaters Mainz legen, das am
Wochenende im Großen Haus mit der Wiederaufführung eines
Klassikers von George Balanchine (1904-1983) begann: "Allegro
brillante" nach dem 3. Klavierkonzert von Tschaikowski bleibt dem
Figurenrepertoire der Vormoderne verpflichtet. Vier Paare, zentriert um
ein fünftes Solopaar, tanzen symmetrische Formationen. Das Wesen
dieser Arbeit - trotz formaler Strenge in spielerischer Leichtigkeit
daher zu kommen - liegt bei den Mainzern in guten Händen Der Kontrast zum zweiten Teil ist hart, führt tänzerisch von vordefinierten Klassikfigurinen zur "freien" Ausdruckserkundung. In Stille beginnt der Auftritt von Marlúcia do Amaral, der Ballettchef Martin Schläpfer ein Staunen machendes Solo choreografiert hat. Während das Mainzer Orchester unter Enrico Delamboye fein gestuft das flirrende Streichergespinst von György Ligetis "Ramifications" in den Raum webt, wächst die kleine Tänzerin zur großen stolzen Hispana auf - um sich unversehens in eine erbarmungswürdige Kreatur zu verkrümmen. Das ist assoziativer Ausdruckstanz höchsten Niveaus, der mal den großen Raum umfasst, dann auf innerliche Enge zusammenschnurrt. Reinste Schönheit stürzt in hinkende Versehrtheit und umgekehrt. Die Dialektik des Seins - gefasst in einem genialen Ballettsolo. Mit Spannung erwartet worden war eine neuerliche Choreografie-Probe des einst beim Koblenzer Ballett ge- starteten Mainzer Tänzers Nick Hobbs. Mit "Come to pass" zu einer Musik des Litauers Antanas Rekasius darf der gebürtige Londoner Nick Hobbs jetzt als wichtigste rheinland-pfälzische Nachwuchshoffnung im Choreografie-Fach betrachtet werden. Seine Arbeit handelt vom experimentierenden Einstieg junger Menschen ins Liebesleben. Aus suchendem Scharren entwickeln sich kraftvolle Tempoformationen. Im Geschlechterleben rumoren zeitgenössische Direktheit und zeitlose Scheu - Julie Thirault und Jörg Weinöhl ertanzen eine Verbindung aus humoriger Annäherung und launenhafter Ablehnung. Wo Liebe ist, ist Leid nicht weit, und die Verschlingungen, ja Gefährdungen in diesem Spiel spiegeln sich in einem Tanzstil aus immer wieder extrem verschlungenen Drehern und Hebern. Und im Hintergrund rast eine neongrell erleuchtete Kabine vorbei, in der Momente des jugendlichen Erlebens zur unterkühlten Schaufenster-Staffage gerinnen. Den Abend beschließt eine weitere Uraufführung von Schläpfer: das bei aller Brillanz doch ausufernde "Rendering" zu den ebenfalls länglichen Skizzen Luciano Berios über Schuberts Sinfonie-Fragmente D 936a. Auch Schläpfer thematisiert Geschlechterbeziehungen zwischen Liebe und Leid. Dieses - sein altes - Thema erfährt hier eine barfuß ertanzte Auffächerung in zahllose Mini-Partien zwischen Jungensehnen und Mädchenlust (wunderbar: Ana Méndez Lago), Familienidyll und Beziehungskrise, Glück und quälender Eifersucht. Die Mainzer Compagnie schöpft aus dem inzwischen riesigen Repertoire an Schläpfer-Figuren. Das ist ein Genuss, auch wenn "Rendering" sich schließlich im Irgendwo verliert. |
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