Kritiken Theater | |||
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2005-01-11: | |
Arbeitslose Manager werden aufgerichtet |
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ape. Neuwied.
Erster Impuls beim Erfassen der Grundkonstellation von Urs Widmers
Stück "Top Dogs" (1996): Die Großkopferten fallen allweil
weich und die kleinen Leute immer auf die Schnauze. Die Kleinen kommen
auf der Bühne des Neuwieder Schlosstheaters nicht vor, dort
spielen vier Männer und zwei Frauen des Kölner Theaters am
Bauturm sechs Manager, die von ihren Firmen "freigesetzt" wurden. Sie
landen allerdings nicht wie Otto Normalo bei der Stempelstelle. Ihre
Ex-Arbeitgeber laden sie im "Outplacement"-Seminar ab, das Arbeitslose
in Nadelstreifen psychologisch auffangen und aufrichten soll - damit
sie vielleicht ihre Karriere anderswo fortsetzen können. |
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Interessieren
uns bei fast fünf Millionen gewöhnlichen Arbeitslosen die
überkandidelten Seminare, mit denen einigen hundert
Ex-Führungskräften der Abstieg von der vermeintlichen
Wichtigkeit in die tatsächliche Bedeutungslosigkeit abgefedert
wird? Eher weniger, haben doch die Herrschaften ihre Schäfchen
meist im Trockenen, streichen als süße Zugabe fette
Abfindungen ein. "Top Dogs" - ein Stück, so belanglos wie Nachrichten des Boulevards über die Amouren der Sternchen? Mitnichten. Denn die genaue Betrachtung von Mechanismen an der Gesellschaftsspitze kann den Blick für das ganze System schärfen - wie die Königsdramen der Altmeister es seit jeher vorexerzieren. Widmers 75-Minuten-Stück basiert auf Realitäts-Recherchen, die auf der Bühne zu teils erstaunlichen "Seminarerfahrungen" zugespitzt werden. Einem Gefeuerten muss erst klar gemacht werden, dass er gefeuert wurde - so völlig undenkbar war ihm, der Säule "seiner" Firma, dies. Gesprächskreise, Bewegungstherapie, Relaxing-Übungen, Rollenspiele mit vertauschten Rollen: Das Stück spielt in einer fließenden Szenenmontage (Regie: Harald Demmer) das Repertoire des Managerseminar- und Coaching-Betriebes durch. Zum Vorschein kommen bald reichlich Selbstüberschätzung, Selbstlüge, Selbsthass. Das Verblüffendste ist, dass die Protagonisten sich als willige Bejubler eines Systems betätigen, dass sie eben gerade ausgespuckt und niedergeworfen hat. In der Managment-Terminologie nennt sich das "positiv Denken". Das Theater sabotiert diese Wort-Dekoration: "Business ist Krieg, der Markt ist ein Schlachtfeld" kreischen dort die Geschlagenen - und werfen all ihr Bestreben darauf, als noch kälter, noch brutaler gewordene Krieger von irgendeinem (Firmen-)General wieder zum großen Gemetzel gerufen zu werden. Sehenswert, bedenkenswert. |
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