Kritiken Theater | |||
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2004-09-20 Schauspielkritik: | |
Geraubte Würde Staatstheater Mainz spielt Millers "Tod eines Handlungsreisenden" als ziemlich lautes Sozialdrama |
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ape. Mainz.
Die wichtigste Entscheidung war, Arthur Millers Stück "Tod eines
Handlungsreisenden" jetzt auf den Spielplan zu setzen. Denn die
traurige Lebensgeschichte des Willy Loman ist ein besonders taugliches
Werkzeug, eines der zentralen, indes lange brach gelegenen
Arbeitsfelder der Theaterkunst ordentlich zu beackern: Die im Schatten
stehen, ans Licht zu holen. Will sagen: Jene Aspekte und Schicksale
auszuleuchten, die von der zeitgeistigen Diskussion übers
Große und Ganze nassforsch marginalisiert werden. |
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Das
Staatstheater Mainz kommt dieser Aufgabe mit einer Inszenierung nach,
die ihre mahnende, erhellende, Mitgefühl weckende, Nachdenken
anstoßende, auch Zorn schürende Funktion durchaus
erfüllt. Dass Walter Meierjohanns Regie dabei stärker auf
laute und demonstrative Fingerzeige setzt als auf ziseliertes
Charakterspiel, ist schade, aber wohl auch Geschmackssache Die Lomansöhne Biff (Markus Heinicke) und Happy Ladislaus Löliger) stellen sich hier in grobschlächtigem Halbstarken-Tremolo vor. Den Willy Loman von Thomas Neumann hetzt eine hysterische Ader, die ihm für Begeisterung wie für Verzweiflung die Tonlage des Schreiens aufzwingt. Es geht sozial-real heftig zu in der kleinen Wohnküche, die Steffi Wurster als Guckkasten auf die große, bis auf einen Fahnenmast mit Sternenbanner leere Bühne stellt. Also träumt Willy in ärmlicher Enge den Traum des weiten Amerika vom Erfolg durch Fleiß und Selbstbewusstsein. Doch der Handelsvertreter mag sich krumm legen wie er will, für ihn wie für Millionen bleibt der Traum eine Lüge. Eine, an der er sich dennoch misst, mit der er sich und auch die Söhne in die Illusion vomerringbaren und stets bevorstehenden Durchbruch zu Wohlstand und Beliebtheit hineinquält. Millers Stück ist ein Spiel mit Erinnerungen, mit Rückblenden in das Lomansche Leben. Meierjohann lässt für die Übergänge entweder die Küche rollen oder Schnee fallen. Das funktioniert prima, doch würde man sich eine je angemessene Veränderung auch in den Spielweisen der Figuren wünschen. Hier schwächelt der junge Regisseur, Jahrzehnte hinterlassen kaum Spuren. Für Willy mag das angehen: Ihn könnte man sehen, wie er als Alter durch die eigenen Rückblicke geistert . Aber für die andern reicht simple Umkostümierung nicht hin. Selbst Traumbilder brauchen Schlüssigkeit . Verwirrend die zeitliche Zuordnung des Geschehens. Petra Schlüter-Wilke schickt per Kleidung die Lomänner in die 1940er-Jahre. Auch die Kücheneinrichtung ist danach. Willys Begegnung mit seinem Chef ist ein entwürdigendes Gespräch mit einer kapitalistischen Allmachtsmaschine, rotglühend in den Fahnenmast eingelassen. Seine schnöde Entlassung wirft den Mann zwischen uniforme, aber eifrig abtanzende Business-Yuppies unserer Tage. Loman der Gestrige verloren im Heute? Das wäre eine falsche Fährte - denn Millers Willy ist durchaus ein Heutiger, die ihm angetane Abhalfterung nach schweren Arbeitsjahrzehnten Alltagsschicksal jetzt. Niemand begreift so gut wie Ehefrau Linda (verhärmt, grantig, verständig: Monika Dortschy), dass der Mann zerbricht, weil ihm Zug um Zug, am Ende vollends, jene Würde genommen wird, die man ihm (und er sich) vorgauckelte, als er jung und profitabel war. Ein starkes Stück in einer etwas blassen Inszenierung. Andreas Pecht |
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