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2004-07-15 Buchkritik: | |
Die Welt ist ein perfides Irrenhaus Sibylle Bergs Roman "Ende gut" |
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ape. "Ende gut" heißt der jüngste Roman von Sibylle Berg. Und am
melancholisch-glücklichen Ende desselben fallen leise Sätze,
die jedoch nachhallen wie schwere Hammerschläge: "Ich merke erst
jetzt, was für mich das Leben in einer Stadt gewesen ist. Zu viele
Menschen da, und zu laut, als daß ich hätte herausfinden
können, wie ich eigentlich war, zu sehr damit beschäftigt, zu
sein wie andere. (. . .) Lesen genügt als Lebensinhalt, merke ich.
Und jemanden haben, mit dem man das teilt, das Leben. (. . .) Das ist
das Geheimnis, zu uninteressant sein, als daß irgendwer
Erwartungen in einen setzt." |
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Vorbereitet
wird dieses Ende im einsamen Häuschen in einem abgeschiedenen Teil
des fernen Finnland Tage, vielleicht Wochen vorher mit dem zynischen
Gedanken: "Die Welt geht unter. Das ist das Beste, was mir jemals
passiert ist." Sibylle Berg hat ein Endzeitszenario entworfen. Eines,
das in den ohnehin frustrierenden Alltag einer beruflich wenig
erfolgreichen Single-Frau Anfang 40 fast wie nebenbei den Untergang der
gewohnten Welt durch ausufernde Naturkatastrophen und mit Biowaffen
geführten Terrorkrieg einfließen lässt. "Ende gut" ist ein sonderbar konstruierter Roman. Streng gegliedert in 48 lakonisch betitelte Kapitel, wirkt er wie ein Tagebuch, das die Wanderung der unheldischen Heldin durch eine sich Zug um Zug auflösende Welt (Deutschland und drumhe-rum) protokolliert. Ins Ich-Erzählen der anfangs unter Job-Frust, Job-Verlust, Einsamkeit, Selbstzweifel, Ausgesperrt-Sein, sozialer Randständigkeit leidenden Frau mischen sich häufig andere Stimmen: Michelangelo, ein Chor, O-Töne von alten Bekannten und akuten Begegnungen, von Hunden oder Kakerlaken. Dazu kommen "Infohaufen", also Nachrichten-, Wissenschafts- und Historienmaterial, das die Autorin zu giftig kommentierenden Minianalysen zusammenstellt. Bergs Befunde fallen ebenso niederschmetternd wie erhellend aus: Die Welt, wie wir sie gemacht haben, ist ein perfides Irrenhaus, im Kleinen, im Großen sowieso. Dass sie den Bach runter geht, braucht nicht zu wundern. Je weiter dieser Prozess fortschreitet, umso mehr befreit sich die Heldin aus dem vorherigen Hamsterrad des "normalen" Daseins (= Unwohlsein). "Ende gut" ist eine bitterböse Parabel auf den Zustand einer Gegenwart, in der Menschsein bloß noch verlogene Behauptung ist - der die 40-Jährige für sich wieder Wahrheit einhauchen will: dort im Einsiedel-Utopia, fernab der dahinsiechenden Wirklichkeit. Solche Sehnsucht ist begreiflich. Andreas Pecht Sibylle Berg: "Ende gut." Kiepenheuer & Witsch, 335 S., 19,90 Euro |
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