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2003-02-06 Buchbesprechung: | |
Des Lebens Skurrilitäten in ihrer kleinlichen Pracht Frühe Erzählungen von Anton Tschechow in zwei Bänden |
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ape. Er
erweist sich als Schatz kästlein voll von Skurrilitäten, liebevoll
gezeichneten Satiren, humorigen Kleinodien - der jüngst erschienene
Schuber mit zwei Bänden von Anton Tschechows frühen Erzählungen. "Er und sie"
ist der eine betitelt, enthält Arbeiten aus den Jahren 1880 bis 1885.
Die handeln vorrangig von den Eigentümlichkeiten der Geschlechter,
insbesondere dort, wo ihre Vertreter als (Ehe-)Paare in der russischen
Gesellschaft des 19. Jahrhunderts miteinander zu tun haben. Der andere
Band heißt "Ende gut", und
dessen Erzählungen aus den Jahren 1886 und 1887 berichten von
sonderlichen Begebenheiten und Zeitgenossen in besagter Epoche und
Weltgegend. Der russische Autor, Tschechow (oder auch Cechov geschrieben), 1860 in Taganrog geboren und schon 44 Jahre später in Badenweiler gestorben, ist hier zu Lande bis heute nicht aus der Mode gekommen. Es sind die Theater, die seinen Ruhm fortlaufend erneuern und mehren, weil sie von seinen großen Stücken, Gott sei Dank, einfach nicht lassen können. Keine Bühnensaison vergeht ohne "Die Möwe", "Onkel Wanja", "Drei Schwestern" oder "Der Kirschgarten". Der Dramatiker Tschechow ist ein Star geblieben, der Erzähler zumindest beim breiten deutschen Publikum indes leidlich in Vergessenheit geraten. Zu Unrecht, wie die beiden Erzählbände beweisen. Sie umfassen knapp 120 Anekdoten, die noch nicht von den tendenziell tragischen Desillusionierungen der späteren Theaterstücke durchdrungen sind. Da sitzt etwa ein Franzose in Moskau im Restaurant, und ihm wird Himmelangst um einen russischen Tischnachbarn, der sich dem Anschein nach durch wahnwitziges Überfressen absichtlich zu Tode bringen will. Der Ausländer startet einen Rettungsvorstoß, der jedoch am empörten Hinweis des Russen scheitert, dass er, der Franzose, die Zeche ja nicht zahlen müsse und sein Anliegen ohnehin lächerlich sei, weil sämtliche russischen Restaurantgäste die gleichen "normalen" Mengen zu sich nähmen. Was der entsetzte Franzose beim Rundblick bestätigt findet. Tschechow lässt Menschen aufeinander treffen, die jeweils in ihre eigenen Denkdimensionen und Verhaltensmuster verstrickt sind. Daraus entstehen groteske, komische, bisweilen tragikomische Situationen, die beide beteiligten Parteien spöttischer Wechselbespiegelung aussetzten. Frau Majorin hält nicht viel auf den Herrn Major, weshalb der sie anlässlich einer Kahnfahrt mit der Peitsche zur Raison bringen will. Vom Handgemenge der Eheleute kentert das Bötchen, und herbei springt ein kleiner Amtsschreiber, um die Herrschaften vorm Ertrinken zu retten. Doch welchen von beiden soll er aus den Fluten ziehen? Frau Majorin verspricht als Witwe in spe dem Retter die Ehe, Herr Major stellt ihm für den alternativen Fall seine wohlfeile Verheiratung mit des Amstschreibers Schwester in Aussicht. Ei, denkt der sich: Ich rett' sie beide, dann krieg ich die propere Majorin zum Weib und obendrein den reichen Major zum Schwager. Er tut's unter Mühen - der vermaledeite Ausgang lässt sich denken. Tschechows Satiren sind in einem untergründigen Schmunzelton geschrieben, seine Figuren meist fein, beinahe zärtlich skizziert. Sie entbehren völlig das brutale Treten und böswillige Vorführen heutiger Comedy - wirken dadurch geistreicher, genauer beobachtend und doch auch schärfer pointiert. Die Lektüre wird von erkennendem Schmunzeln nicht brüllendem Schenkelklopfen begleitet. Ein Schmunzeln, das man sich in kleinen Portionen immer wieder gönnen kann und darf. Andreas Pecht |
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