Kritiken Theater | |||
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2003-01-29 Schauspielkritik: | |
Stéphane Braunschweig inszenierte Ibsens "Gespenster" in Frankfurt Des Pastors Ohnmacht |
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ape. Frankfurt.
Er ist ein Star unter Frankreichs jüngeren Regisseuren: Stéphane
Braunschweig (38), Leiter des Straßburger Nationaltheaters. Was zum
Teil seinen guten Ruf begründet, wird jetzt in Braunschweigs
Inszenierung der "Gespenster" von Henrik Ibsen am Schauspiel Frankfurt
sichtbar. Auf die große Bühne stellt er ein kleines, dichtes
Kammerspiel, das sich aller Modernismen enthält, völlig auf Sprache,
Mensch, Situation in einem Zimmer konzentriert. Das Stück von 1881 ist
Abrechnung mit einem puristischen Kodex, der die bedingungslose - und
sei's nur die scheinbare - Erfüllung von (Ehe-)Pflichten über das Glück
stellt. Die religiöse Helene Alving war mit einem Mann verehelicht, dessen öffentliches Ansehen so groß war wie seine versteckte Hallodrihaftigkeit. Helene ertrug alles, vertuschte alles - um des Sohnes Osvald (Daniel Christensen) willen. Einmal wollte sie weglaufen, wurde jedoch vom Pastor zu den Pflichten einer Ehefrau zurückgetrieben. Der Schein vom gottgefälligen Familienglück sollte dann selbst über den Syphilistod des Gatten hinaus gewahrt werden. Das Stück analysiert im Rückblick. Braunschweigs Regie stellt das Ringen zwischen Helene und dem Pastor ins Zentrum. Der predigt noch immer ewige Pflichten, derweil das, was diese Pflichten gewährleisten sollen, gerade an deren Erfüllung zerbricht. Friederike Kammer lässt ihre Helene Zug um Zug eine ruhige, tief und tiefer greifende Renitenz gegen solche Zumutung entwickeln. In gedehnter Sprechweise prüft sie jeden Satz Ibsens - ihr Weg zum Begreifen ist schwer, aber zwingend. Gegen diesen zur Freigeistigkeit drängenden Ernst ist des Pastors normative Engherzigkeit ohnmächtig. Braunschweig erlaubt für den Weltanschauungsdisput ein zartes Hinübergleiten ins leicht Komische, kehrt ebenso zart zur Tragik zurück. Leises, starkes Theater. Andreas Pecht |
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