Nun singet, liebet und seid froh – auch

Monatskolumne "Quergedanken" Nr. 197

Schlechte Laune, die hat man mal ein paar Stunden, gelegentlich sogar den einen oder anderen Tag lang. Das gehört dazu. Denn des Lebens Umstände sind nicht nur Zuckerschlecken und die Mitmenschen nicht allemal liebens-würdig. Freund Walter ist eher der Tagelang-Typ, während ich Miesepetrigkeit bloß stundenweise aushalten kann, eigentlich nur ein paar Minuten. Das sind so Unterschiede, mit denen man leben muss; kein Beinbruch, der wiegt schwerer.

Dann aber gibt es Zeitgenossen, bei denen dauern Phasen schlechter Laune viele Wochen, gar etliche Monate an. Das kann nicht gesund sein. Aus mieser Stimmung wird da im Laufe der Zeit Griesgrämigkeit und Verbiesterung, die sich im unglücklichsten Fall zu einem regelrechten (unsympathischen) Charakterzug verfestigen. Wir alle kennen solche Leute, manchmal schauen sie uns sogar aus dem Spiegel an.

Walter und ich haben mehrfach besprochen, dass wir es so weit nie kommen lassen wollen. Daran erinnern wir einander, wenn mal wieder Entwicklungen eintreten, die seine, meine oder beider Laune in tiefste Kältezonen respektive höchste Zorneshöhen treiben. Wenn wir uns also sämtliche Zähne an der Tischkante ausbeißen oder aus dem Fenster springen könnten – jetzt wieder angesichts der Corona-Lage und all des damit verbundenen neuerlichen Unfugs (Stand 19. November 2021). Komme er nun von Seiten der Hinterherlauf-Politik oder von der kleinen Gruppe weltfremder Impfgegner, die sich als Opfer aufführen, objektiv jedoch Täter sind und die ganze Gesellschaft quasi in Geiselhaft nehmen. Nicht weniger frustrierend die Nicht-Ergebnisse der Klimakonferenz von Glasgow.

Gründe für schlechte Laune gibt es also reichlich. Schon ohne Corona war es schwierig, sich den Charakter der „besinnlichen Zeit“ und des „Festes der Liebe“ zu bewahren gegen Konsumräusche und der in Bild, Ton, Druck schlimmsten Werbeflut im Jahr. Weihnachten – egal ob als Christfest, Wintersonnwende, Raunächte-Feier oder einfach behagliches Zusammenkommen gedacht – ist real zur schieren Stresswalze mutiert. Es können die Glöckchen noch so selig klingen, kann ein Ros’ noch so prächtig entspringen: Zu keiner Zeit sonst gehen Familienkräche und Nervenzusammenbrüche derart auf Höhenflug wie eben vor und über Weihnachten. Jetzt nochmal die Seuche obendrauf. Prost, Mahlzeit.

Walter, meine Wenigkeit und unsere Bagage versuchen, dagegen mit der Methode „gutes Kabarett“ anzugehen. Die geht so: Da werden einem die bittersten Wahrheiten um die Ohren gehauen, freilich in einer Manier, bei der sich das Lachen kaum verkneifen lässt. Derart sollte es uns (hoffentlich) auch heuer und allen aktuellen Unbilden zum Trotz gelingen, dem „Fest“ seine angenehmsten Seiten abzuringen: Maßvolle Vorbereitung; in kleiner – durchgeimpfter und getesteter – Runde gut essen und trinken; gemütlich plaudern; ein paar bescheidene Liebesgaben austauschen, deren Bedeutung sich gerade nicht nach Geldwert bemisst; zu fortgeschrittener Stunde heiter ein paar Takte schräg singen sowie des Nachts ein bisschen dies und das. Braucht man mehr? Nö.

Wer noch nicht hat, sollte sich endlich impfen lassen. Auf dass er zu Weihnachten nicht womöglich im Spital liege und wie jetzt so viele von Seinesgleichen sich erstaunt frage: „Huch, wieso bin ich sterbenskrank?“. Bedenket: Niemand kann immer nur schlechte Laune aushalten, und froh zu sein, bedarf es wenig. In diesem Sinne sei ein angenehmes Fest gewünscht.

Andreas Pecht

 

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