Ein Jahr Direktor am 180 Jahre alten Mittelrhein Museum

Begegnung mit Matthias von der Bank

ape. Koblenz. Fast auf den Tag ein Jahr nach seinem Koblenzer Dienstantritt im Oktober 2014 begegnen wir uns jetzt zum ersten Mal. Matthias von der Bank tritt im Mittelrhein-Museums (MRM) forschen Schrittes aus dem Aufzug. Fester Händedruck, neugieriger Blick, sofort die Frage: „Worüber wollen Sie mit mir reden?” 48 ist er alt; für zehn Jahre jünger könnte man ihn halten. Im Geiste erweist sich der in Bonn studierte Kunsthistoriker rasch als hoch gebildeter und kluger Zeitgenosse. Zugleich ist ihm ein Zug eigen, den wir etwa von Brigitte Schmutzler kennen, Chefin des Landesmuseums Koblenz, oder von Oliver Kornhoff, Direktor des Arp Museums Rolandseck: Sobald man ihnen Interesse signalisiert, legen diese Museumsleute einen schier jugendlichen Enthusiasmus für ihre Gegenstände an den Tag.

So einer ist auch Matthias von der Bank. Weshalb unser Gespräch stante pede beginnt mit einem Rundgang durch die Sonderausstellung „Da capo. Mary Bauermeister – Werke aus 60 Jahren”. Sinnlos der Hinweis des Autors an den Museumsleiter, dass sein Text erst erscheint, wenn diese Ausstellung schließt: Es gibt eine Privatführung, die sich gewaschen hat und bald beide Teilnehmer die Zeit vergessen lässt. Kundig, feurig, packend führt von der Bank durch die Schau mit exemplarischen Werken aus den diversen Schaffensphasen der heute 82-jährigen Frau. Die hatte er selbst gleich zu Anfang seiner Zeit am Mittelrhein-Museum bei einer Veranstaltung in Köln umstandslos angesprochen mit der absichtsvollen Frage: „Können Sie sich noch an Koblenz erinnern?” Was die Künstlerin und Gefährtin des 2007 verstorbenen Komponisten Karlheinz Stockhausen gut und gerne tat. Denn schon 1972 hatte das Museum ihr, dem damaligen Shooting-Star der Kunstszene, eine Präsentation gewidmet.

Also wurde man sich rasch einig und die Bauermeister-Ausstellung quasi der Einstand des neuen Direktors im Mittelrhein-Museum. Die Aussage mag etwas irritieren, weil auch schon die beiden vorherigen Sonderschauen über Aloys Rump und Werner Kroener in die Amtszeit des Neuen fielen. Doch gingen sie noch auf Vorbereitungen des Vorgängers Markus Bertsch zurück, während die Bauermeister-Schau nun die erste war, die in alleiniger Verantwortung von der Banks lag. Später in seinem Büro sprechen wir über das, was er mit dem Museum künftig vorhat. Diese Frage wollen Medien, Politik, Öffentlichkeit von neuen Führungskräften am liebsten schon vor ihrem ersten Arbeitstag beantwortet haben. Ich glaube allerdings, dass das gar nicht geht, weil jeder Neue seinen neuen Zuständigkeitsbereich erstmal studieren muss.

Weshalb ein Jahr bis zum ersten Gespräch gar keine schlechte Spanne ist. Zumal im Falle des MRM schwer wiegt, dass es sich um ein über viele Generationen mit der Stadt, ihrer Geschichte, ihren Bügern verbundenes Museum handelt. 180. Geburtstag feiert es heuer. Gegründet 1835, gehört es zur Ältestenriege der Regionalmuseen im hiesigen Großraum: 62 Jahre älter als das Landesmuseum Trier, 15 Jahre jünger als das Landesmuseum Bonn und 32 jünger als das in Mainz. Grundstock des MRM war die Schenkung des Pastors Joseph Gregor Lang an die Stadt Koblenz: 197 Gemälden, 70 Graphiken, 1070 Bücher sowie Münzen, Silber und Porzellan. Trotz schmerzhafter Verluste in den zwei Weltkriegen und während 15 Umzügen ist die Sammlung immer weiter zu einem gigantischen Bestand von Kunstwerken, kunstgewerblichen Objekten, Archäologika und regionalen Zeitzeugnissen angewachsen.

Matthias von der Bank sieht sich noch in der Phase des Kennenlernens dieses Erbes, ist sich aber bereits sicher: „Die Vielgestaltigkeit der Sammlung erlaubt weder ein rein stadtgeschichtliches Museum, noch ein reines Kunstmuseum.” Ruft man sich die Präsentationspolitik seiner Vorgänger in Erinnerung, verfestigt sich tatsächlich das Bild einer Mischform aus beidem. Wobei die eine Direktion mal eher zur künstlerischen, die andere zur stadthistorischen Schwerpunktsetzung neigte. Von der Bank verfolgt nun ein Konzept, das nach flexibler Balance sucht – und zwar einerseits im Hinblick auf unterschiedliche Besuchergruppen, andererseits orientiert an thematischen Sonderprojekten. Will sagen: Hier stärkere Betonung lokaler/regionaler Kunst- und Kulturgeschichte, die heimisches Publikum anspricht. Da Präsentationen, die auch für Kulturtouristen und Fachbesucher von auswärts interessant sind.

Ein Blick auf die aktuellen Planungen lässt erahnen, wohin die Reise geht. Der Museumsleiter deutet für 2016 eine Schwerpunkt-Schau über die Romantik des 19. Jahrhunderts an, eine weitere über Koblenz als Barockstadt. In letzterem Fall wird das MRM zu einem der Außenpunkte einer großen Ausstellungskampagne über den Barock im deutschen Südwesten, die ihr Zentrum in den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim haben wird. Beide Themen sind von überregionaler Bedeutung, korrespondieren zugleich fabelhaft sowohl mit dem orts- und regionalgeschichtlichen Umständen wie mit den Koblenzer Sammlungsbeständen.

Zuvor gehört der Sonderausstellungsbereich vom 14.11. bis zum 14.02. wieder der neuzeitlichen Kunst, dem Schaffen Rudolf Schlichters (1899 – 1955). Der badische Maler, Zeichner, Kunsttheoretiker wird gern vor allem der Neuen Sachlichkeit zugeordnet, was von der Bank für zu eng hält. Vielmehr würden sich in dessen Arbeit alle Katastrophen und das gesamte künstlerische Konfliktspektrum des frühen 20. Jahrhunderts spiegeln. 100 Werke überwiegend aus Privatbesitz – viele kaum je, einige noch nie öffentlich gezeigt – werden in Koblenz unter dem Titel „Rudolf Schlichter – Eros und Apokalypse” versammelt.  Werke, die die Welt aus der Perspektive eines Mannes zeigen, der anders war als andere: Oscar Wilde war sein Vorbild, er verehrte Wagner und Nietzsche, liebte aber zugleich Karl May fast so sehr wie er Frauenschuhe begehrte.

Andreas Pecht

 

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